Frankfurts Trainer Oliver Glasner gestikuliert am Spielfeldrand. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Swen Pförtner/dpa)

Das größte Kompliment kam vom Ex. «Der VfL Wolfsburg», sagte Oliver Glasner, habe «unglaublich viel Power im Spiel. Sie haben uns wenig Zeit zum Atmen gegeben.»

Nichts von dem, was der neue Chefcoach von Eintracht Frankfurt da beschrieb, konnte ihn wirklich überraschen. Denn bis zum Ende der vergangenen Saison trainierte Glasner die Wolfsburger ja selbst. Am Sonntagabend kehrte der Österreicher zum ersten Mal als Gegner in die Volkswagen Arena zurück, er knöpfte dem VfL beim 1:1-Unentschieden sogar die ersten Punkte in dieser Bundesliga-Saison ab. Und dennoch bekam Glasner in beinahe jedem Moment vor Augen geführt: Sportlich verbessert hat er sich mit diesem Wechsel eher nicht.

Denn auf der einen Seite standen die «Wölfe», die immer noch punktgleich mit dem FC Bayern München das Führungsduo der Fußball-Bundesliga bilden. Die Glasner selbst noch in die Champions League geführt hat, bevor der Club in diesem Sommer keinen einzigen wichtigen Spieler verlor und stattdessen für mehr als 50 Millionen Euro hochveranlagte Kräfte wie Luca Waldschmidt oder Dodi Lukebakio hinzugewann. Kurzum: Viel mehr als der VfL es tut, kann ein Club einem Trainer während einer Pandemie kaum bieten.

Noch sieglos

Und die Eintracht? Die ist nach sieben Liga-, Pokal- und Europa-League-Spielen noch immer ohne Sieg und steht in der Bundesliga-Tabelle neun Punkte hinter Wolfsburg nur auf Platz 15. Statt die Früchte seines Schaffens in Wolfsburg zu ernten, fängt Glasner in Frankfurt mit genau jener Aufbauarbeit beinahe wieder von vorne an.

«Wir sind noch dabei, uns zu finden. Aber wir werden uns finden», sagte der Österreicher am Sonntagabend. «Ich höre immer: Eigentlich ist nur André Silva weg. Aber da muss man schon genau hinsehen. Aus der Mannschaft des letztjährigen Winters hat David Abraham aufgehört, ist Sebastian Rode verletzt, ist André Silva weg und sind auch Bas Dost, Luka Jovic und Amin Younes weg. Deshalb sieht man jetzt die Ungenauigkeiten. Aber die Jungs sind eine richtig coole Truppe. Sie bringen den Charakter mit, daran zu arbeiten und die Dinge zu verbessern. Die Qualität dafür haben wir auch.»

Schmadtke nicht getroffen

Sich auf diesen Umbruch ein- und die Möglichkeiten in Wolfsburg hinter sich gelassen zu haben, zeigt noch einmal, wie tief der Riss zwischen Glasner und seinem ehemaligen Vorgesetzten Jörg Schmadtke beim VfL gewesen sein muss. «Ich habe Jörg heute nicht getroffen. Aber das ist nichts Außergewöhnliches», sagte der Trainer nach seiner Rückkehr. «Wir haben nicht aus der Tür herausgeschaut, damit wir uns bloß nicht über den Weg laufen. Ich treffe eigentlich in keinem einzigen Stadion den Sportvorstand des Gegners.»

Trotzdem: Otto Rehhagel und Willi Lemke konnten sich auch nie ausstehen und hatten bei Werder Bremen 14 Jahre lang Erfolg. Außerdem verlief das Wiedersehen mit vielen ehemaligen Mitarbeitern und Spielern für Glasner sehr herzlich («Wir haben uns hier ja nicht zwei Jahre lang die Köpfe eingeschlagen»). Hat er es deshalb doch einmal bereut, nicht mehr in Wolfsburg zu sein? «Nein», sagte der 47-Jährige sehr schnell und energisch. «Wir werden uns verbessern. Das ist meine feste Überzeugung und meine Erfahrung aus vielen Jahren im Fußball.»

Der Profiteur der ganzen Entwicklung heißt Mark van Bommel. Der Niederländer ist Glasners Nachfolger in Wolfsburg und hat auch dessen funktionierendes Defensivkonzept übernommen. Seine offensive Spielidee, sein Ehrgeiz und der nochmals verstärkte Kader sollen den VfL unter den Top Vier der Liga halten. «Es war sehr gut, was Oli hier gemacht hat», sagte van Bommel bei DAZN. «Ich habe eine andere Idee. Aber was gut war, muss man nicht wegschmeißen.»

Von Sebastian Stiekel, dpa
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