Fühlt sich in Monaco wohl: Alexander Nübel. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Federico Gambarini/dpa)

Weil eine mögliche vorzeitige Rückkehr zum FC Bayern im Winter über Wochen diskutiert wurde, war Alexander Nübel zuletzt ein gefragter Mann.

Im Interview der Deutschen Presse-Agentur äußert sich die Torhüter-Leihgabe der Münchner vor dem Play-off-Rückspiel in der Europa League gegen Bundesligist Bayer Leverkusen zum Stand der Dinge.

Frage: Herr Nübel, Sie treffen sich beim Stammtisch der Deutschen in Monaco unter anderem mit Nico Hülkenberg oder Alex Zverev regelmäßig. Kann man sich da gegenseitig in die Situation des anderen reinversetzen oder ist das schwierig, weil die beiden Einzelsportarten betreiben? Oder sind Sie als Torhüter auch so etwas wie ein Einzelsportler?

Alexander Nübel: Wir hatten jetzt nach der WM viele englische Wochen und somit blieb kaum Zeit, sich privat zu treffen. Grundsätzlich ist es immer interessant und hilfreich, sich mit anderen Leistungssportlern auseinanderzusetzen. Man verlässt die eigene Blase. Wir Torhüter sind ja eine Art Zwitterwesen. Wir sind Einzel- und Teamsportler zugleich. Somit gibt es schon viele Gemeinsamkeiten. Ein Stichwort wäre zum Beispiel das Thema Fokussierung. Natürlich reden wir aber nicht nur über Sport. Es wird viel gelacht und es gibt tatsächlich ein Heimatgefühl.

Einige Wochen lang gab es Diskussion über Ihre vorzeitige Rückkehr zum FC Bayern. Wer hat im Endeffekt die Entscheidung getroffen, dass Sie in Monaco bleiben? Der FC Bayern? Sie? Oder wären Sie jetzt in München, wenn Monaco nicht sein Veto eingelegt hätte?

Nübel: Mir hat man vonseiten Monacos früh deutlich gemacht, dass man mich auf keinen Fall gehen lässt. Was ja auch eine enorme Wertschätzung beinhaltet. Deshalb hat sich das Thema Wechsel für mich nicht wirklich gestellt. Und so sind auch meine Äußerungen aus dieser Zeit einzuordnen.

«Jeder Torwart braucht Vertrauen»

Als Sie vor kurzem im „Aktuellen Sportstudio“ saßen, haben Sie kritisiert, dass Bayern-Torwarttrainer Toni Tapalovic Sie nicht in Monaco kontaktiert hat. Waren Sie überrascht, als er kurz darauf gehen musste? 

Nübel: Da mir jegliche Hintergründe fehlen und ich es auch für mich selbst nicht mag, wenn Außenstehende über mich urteilen, möchte ich allgemein antworten: Die Beziehung zwischen Torwart und Torwarttrainer ist üblicherweise deutlich enger als zwischen Feldspieler und Trainer. Wir trainieren in einer kleinen Gruppe oft abseits vom Rest. Dazu haben wir eine spezielle Position. Jeder Fehler von uns hat meist Folgen für das Team. Unsere psychische Belastung, unsere Abläufe, diese Themen besprechen wir mit dem Torwarttrainer. Jeder Torwart braucht Vertrauen. Das alleine zeigt schon, wie besonders dieses Verhältnis ist.

Also können Sie die Reaktion von Manuel Neuer verstehen, der in einem Interview seinem Frust freien Lauf gelassen hat.

Nübel: Wie gesagt: Darüber möchte ich nicht urteilen.

Hat diese Personalie die Wahrscheinlichkeit auf eine grundsätzliche Rückkehr nach München erhöht, weil Tapalovic ein enger Vertrauter von Manuel Neuer war?

Nübel: Am Ende entscheidet nicht der Torwarttrainer über mich, und meine Zukunft, sondern meine Leistung.

Vorausgesetzt, es kommt im Sommer nicht zur Rückkehr nach München: Würden Sie dann gerne in Monaco bleiben oder noch einmal etwas anderes erleben wollen? Oder zurück nach Deutschland?

Nübel: Wie gesagt: Am Ende entscheidet meine Leistung, wo mein Weg hinführt. Ich bleibe aber fokussiert auf das Hier und Jetzt. Alles andere lenkt nur ab. Unser Job ist ohnehin schwer genug.

Etwas ketzerisch gefragt: Würden Sie nicht lieber auch zu Hause vor Zuschauern spielen? In Monaco kommen im Schnitt 7500 Zuschauer, das ist der geringste in Frankreich. Und das sind rund 2000 weniger als in Heidenheim.

Nübel: Ich spiele natürlich lieber in vollen Stadien, das ist doch klar. Hier leben rund 8000 Monegassen. Damit wird es schwer, das Stadion zu füllen. Darauf muss man sich eben mental vorbereiten. 

«Ich biete meine Leistung an»

Sie haben immer betont, dass bei Ihrem nächsten Schritt entscheidend ist, dass Sie weiter Spielpraxis bekommen. Haben Sie außer dem FC Bayern dabei auch mittelfristig die Nationalmannschaft im Kopf? Alle, die dort aktuell berufen werden, sind deutlich älter als Sie.

Nübel: Ich mache mir darüber keine Gedanken. Es hat sich meines Wissens noch nie jemand ins Nationalteam gequatscht. Ich biete meine Leistung an. Die kann jeder sehen und bewerten.

Viele vermeintliche Experten haben sich direkt nach dem Wechsel festgelegt, dass es eine schlechte Entscheidung gewesen sei, zum FC Bayern zu wechseln und sehen sich bestätigt. Sehen Sie das im Rückblick selbst kritisch oder immer noch ganz anders? Und wie widerlegen Sie diese Kritiker?

Nübel: Ich habe diesen Schritt gewählt, weil ich wissen wollte, wie weit ich komme. Ich habe zurzeit einen Vertrag bis 2025 bei Bayern München und spiele als Stammtorwart bei der AS Monaco, einem der interessantesten Teams in Europa. Damit bin ich bis jetzt ehrlich gesagt sehr zufrieden. Bei allem Respekt: Die meisten Kritiker sind für mich völlig irrelevant. Sie kennen mich weder persönlich, noch können sie meine Leistungen fundiert bewerten. Auch die Hintergründe des Wechsels kennen nur wenige Menschen. Von daher bin ich entspannt. Ich bin jetzt da, wo ich sein wollte. 

In Schalke wurden Sie damals in kürzester Zeit vom Kapitän und Publikumsliebling zum Ersatzspieler und Buhmann. Beschäftigt Sie das heute noch oder war es im Nachhinein eine wertvolle Erfahrung, die Sie hat wachsen lassen?

Nübel: Natürlich hat mich die Wucht der Kritik schon hart getroffen. Das hat man ja damals auch an meiner Leistung gesehen. Aber ich habe das mittlerweile reflektiert.

Mit Monaco spielen sie im Play-off-Rückspiel der Europa League am Donnerstag gegen Bayer Leverkusen. Wie sehen Sie nach dem 3:2 im Hinspiel die Chancen auf das Weiterkommen gegen Leverkusen?

Nübel: Eine Halbzeit ist gespielt. Wir liegen zwar vorne, aber was zählt ist das Endergebnis. Leverkusen hat so viele tolle Spieler, dass nichts entschieden ist. Wenn wir an unser Limit gehen, ein bisschen Spielglück haben und an uns glauben, dann werden wir weiterkommen.

ALEXANDER NÜBEL (26), ist in Paderborn geboren. Schon mit acht wechselte er zum SC Paderborn, durchlief alle Jugendteams und schaffte es mit 18 in den Profikader. Ohne Einsatz wechselte er 2015 zum FC Schalke 04, im Winter 2018 wurde er Stammspieler, im Sommer 2019 Kapitän. Nachdem sein ablösefreier Wechsel zum FC Bayern München im Sommer bekannt wurde, verlor er Binde und Stammplatz. In München kam er im ersten Jahr nur auf vier Pflichtspiel-Einsätze und ließ sich zur AS Monaco verleihen. Dort ist er nun Stammkeeper. Sein Vertrag in München läuft bis 2025.

Holger Schmidt, dpa
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