Trifft mit dem FC Bayern auf Manchester City: Thomas Tuchel. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Ulrich Gamel/Kolbert-Press/dpa)

Thomas Tuchel lächelte vor dem prickelnden Trainer-Nervenkitzel mit Pep Guardiola und einem aufreibenden K.o.-Showdown für den FC Bayern geheimnisvoll.

«Wir brauchen körperlich komplette Verausgabung, müssen schlau und mutig sein und ein paar taktische Lösungen haben, an denen wir uns Sicherheit holen können», sagte der 49-Jährige vor dem Viertelfinal-Spektakel gegen Manchester City in der Champions League. «Dann geht das Visier hoch – und dann gibt es einen Fight.» Das Basecap hatte Tuchel vor dem Duell zweier detailversessener Trainer-Strategen tief ins Gesicht gezogen – die funkelnden Augen, die einen passenden Pep-Plan erahnen ließen, waren trotzdem zu sehen.

Kaugummi kauend und mit verschränkten Armen empfing Tuchel seine Stars um Geburtskind Sadio Mané am Ostermontag bei frühlingshaftem Wetter entspannt zum Abschlusstraining noch in München. Am ambitionierten Ziel änderte auch der Ausfall von Eric Maxim Choupo-Moting wegen Kniegelenksproblemen für die Partie am Dienstag (21.00 Uhr/Amazon Prime Video) nichts. 

Müller will 100. Königsklassen-Sieg

Ohne die vermutlich von Serge Gnabry oder Mané ersetzte Sturmspitze wollen die Münchner ihren bisherigen Königsklassen-Durchmarsch gegen die favorisierte City-Übermacht um Stürmerstar Erling Haaland fortsetzen. Emotionen, wie sie der aufbrausende Joshua Kimmich nach dem befreienden Sieg beim SC Freiburg zum Ärger der Gastgeber demonstrierte, sollen helfen. «Ich freue mich auf die Challenge», erklärte Bayern-Kapitän Thomas Müller vor dem Hinspiel-Spektakel, bei dem er den 100. Sieg in Europas Bestenliga bejubeln will.

Und wenn nicht? Dann wird acht Tage vor dem Rückspiel am kommenden Mittwoch zu Hause der Druck auf Neu-Trainer Tuchel und die Bosse noch größer, als er ohnehin ist. Acht Siege in acht Spielen, darunter zwei gegen Paris Saint-Germain um Lionel Messi, lautete die Bilanz unter Ex-Coach Julian Nagelsmann, an die dessen Nachfolger in der Champions League anknüpfen soll. Nach dem Pokal-Schock gegen Freiburg soll es in der Königsklasse erst recht auf dem Weg Richtung Endspiel am 10. Juni in Istanbul weitergehen. 

«Gegen Manchester City werden wir noch einmal eine Schippe drauflegen müssen», forderte Kahn nach dem 1:0 in Freiburg und der gefestigten Tabellenspitze. Die ultimative Kraftprobe, auf die sich «die Fußball-Fans auf der ganzen Welt» freuen, ist auch für Kahn & Co. nach dem nachvollziehbaren, aber dennoch riskanten Trainer-Wechsel bedeutsam. «Das ist wieder ein kleines Finale für uns», sagte Sportvorstand Hasan Salihamidzic.

Trainer-Strategiegipfel

Als das Wiedersehen mit dem früheren Bayern-Coach Guardiola vor gut drei Wochen ausgelost worden war, konnte niemand ahnen, dass es zu diesem elektrisierenden Trainer-Strategiegipfel kommen würde. Tuchel reiste einst als aufstrebender Coach und Pep-Anhänger nach Barcelona, um den zusammen mit Messi zum Europapokal-Triumphator aufgestiegenen Guardiola vor Ort zu studieren. Zehnmal spielten beide gegeneinander – und bei insgesamt negativer Bilanz, aber guter K.o.-Ausbeute feierte Tuchel am 29. Mai 2021 im Endspiel mit dem FC Chelsea den größten Triumph gegen Guardiola und City. «Wir sind wieder hier, um es erneut zu versuchen und die Welt wird sich weiter drehen», sagte Guardiola vor dem nächsten Duell.

Diese Niederlage, die auch der katalanische Starcoach durch unerwartete taktische Einfälle maßgeblich mitbeeinflusst hatte, dürfte Guardiola aber lange quälende Gedanken bereitet haben. Der 52-Jährige, der in seiner prägenden Pep-Epoche bei Bayern von 2013 bis 2016 drei Meistertitel und zweimal den DFB-Pokal gewann, möchte nun in einem Viertelfinale de luxe seine positive Statistik gegen Tuchel ausbauen. Es sei das Duell zweier «genialer Fußballtrainer und Schach-Großmeister», sagte Guardiola-Freund und Tuchel-Kenner Michael Reschke. Der einstige Technische Direktor der Bayern war damals dabei, als es bei einem Abendessen «mit Sekt- und Weingläsern, Salz- und Pfefferstreuern hin und her» ging.

In extremen Münchner Tagen, in denen nach dem Knall-auf-Fall-Trainerwechsel alles sitzen muss, ist für solche Anekdoten wenig Platz. Zumal Tuchel nach dem Ausfall des gemeinsam mit Leroy Sané (4 Tore) besten Bayern-Saisontorschützen in Europa über die Besetzung des Angriffszentrums grübeln muss. Anders als Guardiola, den die Rückkehr von Haaland nach einer Leistenverletzung verzückte. 

«Wir haben zwei unglaubliche Jahrzehnte mit Lionel Messi und Cristiano Ronaldo gehabt. Erling ist jetzt auf diesem Niveau», rühmte Guardiola, der in München gerne von «top, top, top» Spielern schwärmte und so gerne «1000 Dantes» gehabt hätte. Der 22-jährige Haaland hat aber eine andere Klasse; den charismatischen katalanischen Coach muss höchstens beschäftigen, wie er die Sturmgewalt Haaland am besten in Szene setzt.

«Absolute Waffe» Haaland

«Eine Pep-Mannschaft mit Haaland ist für mich immer noch eine Pep-Mannschaft. Aber mit Erling haben sie eine absolute Waffe», warnte Müller. Als dritte Königsklassen-Größe nach Megastar Ronaldo (115) und Real-Ikone Iker Casillas (101) könnte Müller die Schallmauer von 100 Siegen knacken. Ganz andere (Tor-)Marken hat der frühere BVB-Stürmer Haaland, der beim 4:1 gegen Southampton doppelt traf, im Sinn. Neben 30 Toren in der Premier League erzielte Haaland in der Champions League in sechs Partien zehn Treffer. Gegen Leipzig traf er im Achtelfinal-Rückspiel sogar fünfmal.

Umso wichtiger ist es aus Bayern-Sicht, dass Bundesliga-Siegtorschütze Matthijs de Ligt gegen den Norweger zusammen mit Dayot Upamecano stark auftrumpft. «Wir haben siebenmal zu null gespielt, acht Siege eingefahren. Jetzt spielen wir gegen den nächsten sehr starken Gegner, hoffentlich können wir das weiterführen», sagte der für rund 70 Millionen Euro im Sommer von Juventus Turin verpflichtete Innenverteidiger de Ligt. Der Ex-City-Spieler Leroy Sané wird in der Startelf erwartet, auch Manchesters Winter-Leihgabe João Cancelo darf hoffen. 

Die Engländer konnten zuletzt acht Pflichtspielsiege in Serie einfahren – und das bei einem Torverhältnis von 31:3. Doch Guardiola ist erst rundum glücklich, wenn ihm nach schon sechs Jahren und immensen Ausgaben der ersehnte Königsklassen-Triumph den Cityzens glückt. Bei Bayern scheiterte er dreimal im Halbfinale. 

Christian Kunz, Jordan Raza und Maximilian Wendl, dpa
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