«Am Schluss ist Fußball immer gerecht», sagt Union Berlins Trainer Urs Fischer nach dem Champions-League-Debüt gegen Real Madrid. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Manu Fernandez/AP)

Noch bevor der 1. FC Union in den ungewohnt grauen Himmel über Madrid die Heimreise nach Berlin startete, versuchte es Robin Gosens mit einer Mischung aus Philosophie und Oliver Kahn. «Fußball kann brutal sein und deswegen lieben wir ihn alle», schrieb der Nationalspieler auf Instagram und fügte ganz im Stile des früheren Bayern-Torwarts an: «Wir machen weiter, immer weiter».

Es war diese Mischung aus Trotz, Ärger und Stolz, die praktisch alle Eisernen nach dem 0:1 zum Champions-League-Debüt bei Real Madrid verwirrte. Auch Urs Fischer war im Gefühle-Mix des Fußball-Bundesligisten gefangen. Doch der Trainer muss ganz schnell wieder Ordnung in die Emotionen bringen. Sonst droht ein Abwärtstrend, der unter dem Codewort Bellingham-Effekt lange nicht gekannte Sorgen in Berlin-Köpenick verursachen könnte.

Fischer: «Es gilt, die Lehren aus dem Spiel zu ziehen»

Findet Union beim Bundesliga-Spiel schon am Samstag (15.30 Uhr/Sky) gegen die TSG Hoffenheim nicht in die Erfolgsspur zurück, droht die Einstellung der Negativmarke von vier Niederlagen in Serie aus den Geisterfußball-Zeiten des Corona-Lockdowns im Mai 2020. Damals steckte Union Berlin im Abstiegskampf und unterlag gegen Lokalrivale Hertha BSC mit 0:4, was verdeutlicht, wie lang das her ist.

«Aber logisch, du bekommst wieder eins auf den Deckel. Es gilt, wieder den Mund abzuwischen, versuchen, die Lehren aus dem Spiel zu nehmen», forderte Fischer nach dem bitteren Real-K.o. Nur ein schwacher Trost waren da die internationalen Reaktionen quer durch Europa, die den Eisernen «viel Herz» («Tagesanzeiger»), «einen klaren Spielplan» («Daily Mail») und eine «gute Ordnung» («As») attestierten. Eine spanische Ordnerin versuchte die Enttäuschung von Stürmer Kevin Behrens gar mit einem Streichler am Arm zu lindern.

Gosens ist ein Mentalitäts-Baustein, auf den Fischer in den kommenden Wochen setzen wird. Der italienische Europameister Leonardo Bonucci ist ein anderer. Die Top-Transfers müssen mit ihrer Erfahrung nun für Ruhe und eine Art mentales Gleichgewicht sorgen. Die Madrid-Reise ging mit ihrer ganzen Dramaturgie kollektiv an die emotionale Substanz – mit dem Last-Minute-Gegentor von Jude Bellingham als maximalem Störfaktor.

Behrens: «Leo ist ein Top-Typ, er hat eine top Qualität»

Innenverteidiger Bonucci sieht aber auch in der Niederlage ein Stärke-Potenzial. «Wir bedauern die Niederlage zutiefst, aber dieses Champions-League-Debüt gibt uns große Kraft für unsere Saison», notierte der 36-Jährige nach seinem ersten Union-Einsatz auf der Plattform X. Kraft ist genau das Thema für Bonucci. Fischer braucht seinen neuen Anführer gegen Hoffenheim, da Robin Knoche als Defensivsäule weiter verletzt ausfällt.

Ob Bonucci nach 80 Spielminuten im Estadio Santiago Bernabéu am Samstag schon wieder frisch genug ist, vermochte der Union-Coach noch nicht zu sagen. «Wir werden sehen, ob wir ihn hinbekommen», sagte Fischer. Wie wichtig der Last-Minute-Zugang von Juventus Turin mittlerweile ist, wird durch das Kollegen-Lob deutlich. «Was Leo für eine Ruhe ausstrahlt, ist schon beeindruckend. Ein Top-Typ, er hat eine top Qualität», sagte Behrens über den neuen Abwehrchef. Und: Bange machen war noch nie Union-Mentalität. «Es wird ein anderes Spiel gegen Hoffenheim. Wir werden da wieder unsere Basics abrufen», versprach Behrens. Den Mut von Madrid werde man schon mitnehmen.

Arne Richter, dpa
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