Demütig sank Felix Nmecha auf die Knie – den Blick und die Zeigefinger Richtung Himmel. Der Torjubel des Dortmunder Mittelfeldspielers und gläubigen Christen war Ausdruck großer Erleichterung.
Sein erster Pflichtspieltreffer im schwarz-gelben Trikot bescherte dem BVB das umjubelte 1:0 in der Champions League bei Newcastle United und besänftigte seine Kritiker. «Solche Spiele will man als Fußballer spielen», schwärmte der ehemalige Wolfsburger, «ich bin einfach glücklich.»
Nach holprigem Start scheint Nmecha bei seinem neuen Club endgültig angekommen zu sein. In kleinen Schritten tritt er aus dem langen Schatten seines zu Real Madrid abgewanderten Vorgängers Jude Bellingham. Das zwischenzeitliche Dasein als Reservist und die gesundheitlichen Rückschläge ertrug der 23-Jährige auf seine Weise: «Diese Momente sind nicht einfach. Aber ich versuche, sie zu nutzen, um besser zu werden. Ich versuche, nicht viel zu denken und habe mein Vertrauen in Gott.»
Terzic: «Wir haben uns heute zurückgemeldet»
Nach seinem Schuss ins Glück war Trainer Edin Terzic voll des Lobes. «Er ist ein brillanter Spieler. Wir wissen um sein Potenzial und sein Talent. Heute hat er eine fantastische Leistung geboten.» Schon den starken Nmecha-Auftritt wenige Tage zuvor in der Bundesliga gegen Bremen (1:0) hatte Sportdirektor Sebastian Kehl als Indiz gewertet, dass die hohe Transfersumme von 30 Millionen Euro gerechtfertigt war: «Nun kann man so langsam nachvollziehen, warum wir den Spieler unbedingt haben wollten.»
Nmecha erweckte die nach bisher durchwachsenen Auftritten gegen Paris (0:2) und den AC Mailand (0:0) von vielen bereits abgeschriebenen Dortmunder in der schweren Gruppe F zu neuem Leben. Als Tabellendritter liegt der BVB (4) nach Punkten gleichauf mit dem Zweiten aus Newcastle und kann mit einem Sieg in zwei Wochen daheim gegen die Engländer weiter Boden gut machen. Selbst Spitzenreiter Paris (6) befindet sich nach dem 3:0 über Milan bei nur zwei Zählern Vorsprung noch in Schlagdistanz. «Wir haben uns heute zurückgemeldet. Es ist jetzt Halbzeit. Und wenn wir so weiter spielen, bleibt es bis zum Ende spannend», kommentierte der 40 Jahre alte Terzic mit zuversichtlichem Blick auf die drei noch ausstehenden Gruppenspiele.
BVB befreit sich von Last
Wie schon in der Bundesliga mit zuletzt fünf Siegen in Serie gelang dem BVB auch in Europa die Trendwende. Anders als zum Gruppenauftakt in Paris erstarrte das Team diesmal nicht in Ehrfurcht, sondern bot im Dauerregen von Newcastle leidenschaftliche Gegenwehr. «Die erste Halbzeit war in dieser Saison unsere spielerisch beste Leistung», lobte Terzic, «wir befinden uns auf einem richtigen guten Weg, das haben wir in den letzten Wochen gezeigt.»
Obwohl der Gegner in der Schlussphase durch Callum Wilson (86.) und Anthony Gordon (90.+5) noch zweimal das Aluminium traf, war das 1:0 gerechter Lohn für einen couragierten Auftritt. «Wir haben sehr viel Einsatz, sehr viel Herz gezeigt und einen super Job gemacht», befand Torhüter Gregor Kobel, der sein Team diverse Mal vor einem Gegentreffer bewahrte. Neben Trainer Terzic schien auch Sportdirektor Kehl wie von schweren Lasten befreit. «Dieser Sieg tut richtig gut. Die Mannschaft hat einen richtig guten Schritt nach vorn gemacht.»
Nach dem Mutmacher von Newcastle geht der Bundesligavierte mit reichlich Rückenwind in die schweren nationalen Top-Spiele gegen Frankfurt (29. Oktober), München (4. November) und Stuttgart (11. November). Anders als früher gerät die Mannschaft defensiv nicht mehr so schnell ins Wanken. Im zwölften Pflichtspiel der neuen Saison blieb sie zum fünften Mal ohne Gegentor und feierte zum vierten Mal einen 1:0-Erfolg. Terzic hofft auf ein dauerhaftes Ende des seit Jahren leidigen Mankos: «Es hat uns gefallen, dass wir wieder die Null verteidigt haben.»