In 100 Tagen beginnt die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Alexander Hassenstein/Getty-POOL/dpa)

In 100 Tagen startet die Fußball-EM in Deutschland – doch von einer Euphorie ist nur wenig zu spüren. Das war kurz vor der WM 2006 aber auch nicht anders, als schlechtes Wetter, eine wirtschaftliche Flaute und miese Ergebnisse der Nationalmannschaft auf die Stimmung drückten.

Das Ende ist bekannt: Ein Sommermärchen verzauberte die (Fußball-)Welt. Auch deswegen herrscht weiter großer Optimismus bei Organisatoren und in Wirtschafts- und Kulturbranchen. Nur die Fans sind eher skeptisch. Die Deutsche Presse-Agentur zeichnet ein Stimmungsbild.

Organisatoren

Philipp Lahm macht sich keine Sorgen. «Die Begeisterung ist da für das Turnier – in Deutschland, aber auch weltweit», sagte der Chef des Organisationskomitees. Vor allem mit der Gruppen-Auslosung im Dezember sei «die Vorfreude noch größer geworden, weil es einfach greifbarer geworden ist». Doch auch der Weltmeister-Kapitän von 2014 weiß: Es wäre «natürlich hilfreich», wenn die deutsche Nationalmannschaft «wieder erfolgreicher Fußball spielen würde». 

Dann könne vom 14. Juni bis 14. Juli ein ähnliches Fußballfest entstehen wie bei der Heim-WM 2006. Das sei gerade in diesen gesellschaftspolitisch schweren Zeiten notwendig, meinte Lahm. Ein solches Turnier könne dazu beitragen, «zusammenzukommen und ein Wir-Gefühl zu entfachen». 

Fanfeste

Es herrsche eine «Ruhe vor dem Sturm», die aktuell aber sehr willkommen sei, «denn dadurch haben wir gerade noch Zeit, alle Vorbereitungen zu treffen», sagte Geschäftsführer Moritz van Dülmen von «Kulturprojekte Berlin», das für die Planung und Umsetzung des Fanfests am Brandenburger Tor verantwortlich ist. Ein überdimensionales Tor direkt vor dem wichtigsten Wahrzeichen der Hauptstadt und ein dort ausgerollter Rasen sollen für Fußball-Flair sorgen. 

Laut van Dülmen werden 2,5 Millionen Fans aus aller Welt in Berlin erwartet. Die Fanmeile, die zum Riesenerfolg der WM 2006 mit beigetragen hat, werde auch an den 31 EM-Tagen gut gefüllt sein. Auch Sprecher Tobias Kohler vom Olympiapark München, wo alle 51 EM-Spiele live auf drei Großbildleinwänden gezeigt werden, ist «sehr zuversichtlich». Spätestens ab EM-Start «können wir uns auf ein tolles Fest freuen», sagte er. 

Brauereien

«Bier und Fußball gehören seit jeher zusammen», sagte Hauptgeschäftsführers Holger Eichele vom Deutschen Brauer-Bund. Deswegen biete die EM für seine Branche «ein großes Potenzial». Millionen Fans in den Stadien, bei Public Viewings, in Bars, Restaurants oder heimischen Wohnzimmern dürften auch diesmal für einen Mehrumsatz sorgen. 2006 sei vor und während der WM rund fünf Prozent mehr Bier verkauft worden als sonst in Sommerwochen. «Die Brauereien jedenfalls sind gut vorbereitet und freuen sich auf den Anpfiff», sagte Eichele: «Aber ein Sommermärchen wird es nur werden, wenn das Wetter mitspielt und unsere Nationalmannschaft erfolgreich ist.»

Tourismus

Für die Tourismusbranche sind die Leistungen des deutschen Teams eher zweitrangig, sie setzt vor allem auf viele reisefreudige Fans aus dem Ausland, gutes Wetter – und positive Bilder. «Ein gastfreundliches Miteinander im Stadium, in der Fußgängerzone oder über den Bildschirm in die Welt zu tragen, wäre ein unbezahlbarer positiver Effekt für das gesamte Reiseland Deutschland», sagte Geschäftsführer Norbert Kunz vom Deutschen Tourismusverband. 

Auch Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband hofft auf einen «positiven Imageeffekte und nachhaltige Impulse für den Tourismus-Standort Deutschland» – so wie nach 2006. Konkrete wirtschaftliche Umsatzeffekte seien nur schwer zu benennen und von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, so Hartges.

Hauptgeschäftsführer Markus Luthe vom Hotelverband Deutschland verspricht, dass sich deutsche Hoteliers als «offene, herzliche und professionelle Gastgeber» präsentieren. Deutschlandweit würden sie über 30.000 Hotels, Hotels garnis, Gasthöfe und Pensionen mit rund 1.000.000 Gästezimmern bereithalten. 

Fans

Sommermärchen 2.0? Daran glauben nur die wenigsten Fußballfans. Bei einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur Anfang Dezember gaben nur fünf Prozent der Befragten an, «ja, bestimmt» eine ähnliche Hochstimmung zu erwarten. Zwölf Prozent konnten sich das in Teilen vorstellen. 

Nach Einschätzung der aus dem Vereinsfußball kommenden Fan-Organisation Unsere Kurve sei «noch nicht das große Fieber ausgebrochen». Dies habe mehrere Gründe, «die enorm hohen Eintrittspreise» für die EM-Spiele seien einer davon, meinte Vorstand Markus Sotirianos. Doch es gebe auch Anlass zur Hoffnung: «Mit der Zulassung eigenständiger Fanclubs entsteht etwas im Hintergrund, was aber noch weiterwachsen muss und ausbaufähig ist.»

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