Das DFB-Team startete mit einem überragenden 5:1-Sieg gegen Schottland ins EM-Turnier. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sven Hoppe/dpa)

Zwischen aufblasbarer Hüpfburg und Live-Musik von einer Bühne ging die EM-Party nach dem Spaß-Auftakt gegen Schottland gleich neben dem Home Ground weiter.

Julian Nagelsmann und seine Gute-Laune-Ballermänner um Jamal Musiala und Florian Wirtz waren von Ausrüster Adidas in Herzogenaurach zum 75. Firmen-Jubiläum gleich neben ihrem Teamquartier eingeladen. Gerade rechtzeitig lugte in Franken sogar die Sonne hervor – in den Herzen der Fußball-Fans im ganzen Land lacht sie nach dem furiosen 5:1-Start in das Heimturnier in München ohnehin schon wieder. 

«Das ist das, was wir sehen wollen. Wir wollen Freude sehen bei diesem Riesen-Fußballfest. Wir wollen Spielfreude sehen auf dem Fußballfeld. Wir haben eine tolle Teamleistung gezeigt und viele Tore geschossen. Es war natürlich ein perfekter Auftakt», sagte Turnier-Oldie Thomas Müller. Weggeblasen sind alle Zweifel. Von Bundeskanzler Olaf Scholz bis Titel-Konkurrent Cristiano Ronaldo als TV-Zuschauer – alle waren begeistert oder auch beeindruckt vom deutschen Tore-Wirbel. 

Der Kanzler glaubt an das Finale

«Also nach dem Auftakt, glaube ich, kann man wirklich hoffen, dass es bis zum Schluss geht und ich bin da ganz zuversichtlich geworden», sagte Kanzler Scholz im ZDF vor der Abreise vom G7-Gipfel in italienischen Bari. International hat der höchste deutsche Sieg in der EM-Historie für mächtig Aufsehen gesorgt. 

«Deutschland, was für eine Maschine!», schrieb die spanische Zeitung «Marca». Der englische «Daily Star» nannte die Nagelsmann-Elf in Anspielung auf die Handvoll Tore ein «Fünf-Sterne-Deutschland». Auf den Fanmeilen wurde schon wieder schwarz-rot-gold gejubelt und die TV-Quote von 22,49 Millionen Zuschauer alleine im ZDF zeigen: Diese EM hat Sommermärchen-Potenzial. 

Nagelsmann wollte auch gar nicht in die Rolle des Bedenkenträgers oder Mahners schlüpfen. Laufen lassen, ist seine Devise im tatsächlichen wie übertragenen Sinne. Der Samstag war für den Bundestrainer im Glückszustand aber auch ein bisschen zur Besinnung da. Es sei «ein Tag, an dem ich die Spieler in Ruhe lasse, was Ansprachen angeht und dann bereiten wir uns wieder vor und versuchen, ein ähnlich gutes Spiel zu machen», sagte er mit Blick auf die nächste Aufgabe Ungarn am Mittwoch (19.00 Uhr/ARD/MagentaTV) in Stuttgart. 

Gemeinschaft und Fundament

«Das ist ein Fundament, auf dem wir aufbauen können», sagte Nagelsmann zur ziemlich guten Ausgangslage in der Gruppe A. Hervorheben wollte der 36-Jährige niemanden, nicht die Wirbelwinde Musiala und Wirtz nach ihren Turnier-Torpremieren, nicht Kapitän Ilkay Gündogan, der nach latenter Kritik ein Leistungs- und Charakter-Statement abgeliefert hatte. «Ich bin froh, dass ich heute der Bessermacher sein durfte für die Nebenleute», sagte Gündogan nach seinem 78. Länderspiel in seiner typisch selbstlosen Art. 

Das Wort, das Nagelsmann strapazierte, war Gemeinschaft. «Die Gemeinschaft hat heute das Spiel gewonnen. Die Gemeinschaft hat heute dafür gesorgt, dass Fußball-Deutschland vielleicht ein Stück mehr an uns glaubt», betonte er. Überall waren nur Gewinner.

Unstrittig war nach der Münchner Fußball-Gala: Nagelsmann selbst ist ein großer Sieger. Seine radikale Neuausrichtung im EM-Jahr ist voll aufgegangen. Der Kaderumbau, die klare Rollenverteilung, die frühzeitige Festlegung auf eine Wunschelf und nicht zuletzt die Rückholaktion von Toni Kroos haben etwas bewegt in einer Mannschaft, die notorisch erfolglos war und die Fans verloren hatte. «Als Cheftrainer musst du Energie geben. Und die Mannschaft gibt mir viel Energie zurück», sagte Nagelsmann nach seinem bislang wichtigsten Sieg. 

«Zwei Teufel auf freiem Fuß»

Die Effektivität vor dem gegnerischen Tor war in jüngerer Vergangenheit oft ein Makel des DFB-Teams. Ein Dauerthema. Gegen Schottland waren gerade die Offensivspieler richtig scharf. «Es war wichtig, dass wir viele Tore geschossen haben, auch verteilt», sagte Nagelsmann nach den Treffern der Offensivkräfte Wirtz, Musiala, Kai Havertz (Foulelfmeter) und Niclas Füllkrug sowie von Mittelfeldspieler Emre Can. 

«Den Flow wollen wir mit ins nächste Spiel nehmen», sagte der herausragende Musiala. Den 21-Jährigen und seinen kongenialen Dribbelpartner Wirtz nannte die spanische Zeitung «As»: «Zwei Teufel auf freiem Fuß in München». Eines ist klar: Beide können Deutschland in den kommenden Wochen in den Fußball-Himmel schießen. 

Von Arne Richter, Klaus Bergmann, Christian Kunz und Manuel Schwarz, dpa
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