Englands Stürmerstar Marcus Rashford will sich nicht von einigen Fans diktieren lassen, was er zu tun und zu lassen hat.
Beim EM-Auftakt der Three Lions gegen Kroatien, der mit Spannung erwarteten Neuauflage des WM-Halbfinals von 2018, will der 23-Jährige mit dem Kniefall am Sonntag ein Zeichen gegen Rassismus setzen – und dafür auch mögliche Buhrufe in Kauf nehmen. «Wir glauben, dass es das Richtige ist, das zu tun», betonte der Man-United-Star, «und deshalb machen wir das auch weiter».
Getrübte EM-Stimmung
Obwohl es sportlich gut läuft und England bei der EM sogar zu den Favoriten zählt, ist die Stimmung vor dem Turnierstart im eigenen Land etwas getrübt. Vor den beiden Testspielen gegen Österreich und Rumänien hatten die eigenen Fans gebuht und gepfiffen, als die England-Profis vor dem Anpfiff knieten. Die Buhrufe gingen zwar im Applaus der anderen Zuschauer unter, sie wirken allerdings nach.
Seit dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd vor einem Jahr zeigen Fußballer des englischen Nationalteams und der Premier League vor jedem Spiel mit dem Kniefall ihre Solidarität mit der «Black Lives Matter»-Bewegung. Dass die Geste nicht unumstritten ist, zeigte sich seit der Rückkehr des Publikums in die Stadien häufiger.
England-Coach Gareth Southgate hatte die Fans vor dem Spiel gegen Rumänien extra aufgefordert, die Mannschaft zu unterstützen. Der 50-Jährige, unter dem die Three Lions in knapp fünf Jahren einen enormen Aufschwung erlebt haben, erinnerte daran, dass auch Spieler aus dem Kader regelmäßig rassistischen Beleidigungen ausgesetzt seien. Rashford und Co. hatten in den vergangenen Monaten mehrfach von Beschimpfungen und Bedrohungen in sozialen Medien berichtet.
Southgate: «Spieler sind Vorbilder»
«Wer die Spieler ausbuht, weil sie den Kniefall machen, ist auch ein Grund dafür, dass Spieler den Kniefall machen», schrieb TV-Moderator und Ex-Nationalspieler Gary Lineker bei Twitter. Während manche den Buhenden Rassismus unterstellten, heben Kritiker des Kniefalls häufig hervor, es gehe darum, Sport und Politik zu trennen. Southgate hält davon nichts. «Ich war nie der Meinung, dass wir nur beim Fußball bleiben sollten», schrieb er in einem offenen Brief an die Nation auf der Fußball-Website «The Player’s Tribune».
«Unsere Spieler sind Vorbilder», schrieb der 50-Jährige. «Und über die Grenzen des Spielfelds hinaus müssen wir anerkennen, welchen Einfluss sie auf die Gesellschaft haben können. Wir müssen ihnen das Selbstvertrauen geben, für ihre Teamkollegen und die Dinge, die ihnen als Menschen wichtig sind, einzustehen.»
Der britische Premierminister Boris Johnson ließ über einen Sprecher ausrichten, jeder habe das Recht, friedlich zu protestieren, um seine Gefühle auszudrücken. Typisch Johnson, ließen diese Worten doch offen, ob er damit den Kniefall oder die Buhrufe meinte. Dass der konservative Premier kein großer Freund der Geste ist, ist bekannt. «Was speziell den Kniefall angeht – der Premierminister konzentriert sich lieber auf Taten als auf Gesten», sagte sein Sprecher.
Zur Wahrheit gehört auch, dass nicht alle schwarzen Fußballer den Kniefall befürworten. Wilfried Zaha von Crystal Palace bezeichnete ihn schon vor einigen Monaten in einem Podcast als «erniedrigend», als eine «bedeutungslose Scharade» und unterstellte Aktionismus.
Bei den Profis der englischen Nationalmannschaft um Rashford und Co. sieht man das hingegen anders und hat keine Lust mehr, sich ständig dafür zu rechtfertigen. Mittelfeldspieler Jordan Henderson sagte dem Sender Sky Sports, das Team sei es leid, darüber zu sprechen. «Wir stehen gemeinsam gegen Rassismus», stellte der Liverpool-Profi klar, «und damit ist alles gesagt.»