Der Däne Christian Eriksen ist aus dem Krankenhaus entlassen worden. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tim Goode/PA Wire/dpa)

Nur einen Tag nach dem wahrscheinlich emotionalsten Abend bei dieser EM folgte für die dänische Nationalmannschaft der schönste: Ihr Spielmacher Christian Eriksen besuchte sie gleich nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus in ihrem EM-Quartier in Helsingör bei Kopenhagen.

«Es war großartig, die Jungs wiederzusehen», wurde der 29-Jährige von Inter Mailand in einer Mitteilung des dänischen Verbandes zitiert. «Mir geht es auch den Umständen entsprechend gut.»

Eriksen war erst sechs Tage zuvor während des Spiels gegen Finnland (0:1) auf dem Spielfeld zusammengebrochen und wiederbelebt worden. Und jeder Schritt der Besserung, der seitdem bei ihm eintrat, löste auch etwas bei seinen Mitspielern und allen dänischen Fußball-Fans aus.

ICD-Defibrillator wurde eingesetzt

Eriksen meldete sich aus dem Krankenhaus, er schickte ein Foto mit erhobenem Daumen in die Welt, er bekam als Folge seines Kollaps‘ einen ICD-Defibrillator eingesetzt, der die Risiken eines weiteren Herzstillstands minimieren soll: Dass das Drama um die dänische Nummer 10 offensichtlich gut ausgegangen ist, setzte eine Kraft und eine Welle der Solidarität frei, die schon am Donnerstagabend trotz der 1:2-Niederlage gegen Belgien alle 25.000 Zuschauer im Stadion von Kopenhagen und die komplette Mannschaft erfasste.

«Das war eine Unterstützung, die ich noch nie erlebt habe. Es lag etwas Elektrisches in der Luft», sagte der ehemalige Gladbacher Jannik Vestergaard vom FC Southampton einen Tag danach.

Genau diese Energie, dieser Schulterschluss zwischen Mitspielern, Fans und Eriksen, soll den Europameister von 1992 nun trotz der zwei Niederlagen in den ersten beiden Spielen doch noch ins Achtelfinale tragen. Ein Sieg mit zwei Toren gegen Russland (Montag, 21.00 Uhr/ARD und Magenta TV) und eine gleichzeitige Niederlage der Finnen gegen Belgien würden dafür sicher reichen. «Ich will jetzt einen Sieg. Ich bin es leid, darüber zu reden, dass wir gut spielen, aber verlieren», sagte Trainer Kasper Hjulmand in einer Tonlage, die man von diesem eher sachlichen Fußball-Lehrer sonst kaum kennt.

Vieles noch möglich in Gruppe B

Vor diesem spannenden Gruppenfinale am Montagabend sind zudem zahlreiche weitere Konstellationen denkbar. Bei einer Niederlage und einem Unentschieden gegen Russland wären die Dänen sicher ausgeschieden. Bei einem Sieg hätten sie mindestens Platz drei sicher und müssten gegebenenfalls auf den Ausgang der fünf anderen Turniergruppen warten. Sollten sie mit 1:0 gewinnen und die Finnen mit mehr als einem Tor Abstand verlieren, wäre Hjulmands Team aufgrund des Torverhältnisses sogar Zweiter. Schaut man auf den Heimvorteil in Kopenhagen und die individuelle Qualität im Vergleich zum russischen Team, ist das Erreichen der K.o.-Runde also durchaus eine realistische Option.

Ein Losentscheid im November 2019 könnte den Dänen im Nachhinein noch zu einer großen Hilfe werden. Denn damals war die Frage, welcher der beiden EM-Co-Gastgeber Dänemark und Russland bei diesem dritten Gruppenspiel das Heimrecht erhält. Das Los entschied: Es wird in Kopenhagen gespielt und nicht in St. Petersburg. Für die Dänen dürfte das gerade in den Tagen nach dem Eriksen-Schock ein großer Vorteil sein. «Wir hoffen, dass die Leute uns wieder genauso unterstützen werden, dann geben wir Gas», sagte Hjulmand. «Ich bin sehr froh, dass wir in Kopenhagen spielen und nicht in Russland.»

Seine Spieler jedenfalls glauben fest daran, dass sich die große Energie des Donnerstagabends, diese «Explosion im Parken» (Hjulmand) auch noch einmal auf das entscheidende Russland-Spiel übertragen lässt. Es sei jedenfalls überflüssig zu erwähnen, «dass ich am Montagabend gegen Russland mit ihnen jubeln werde», sagte Eriksen.

Von Sebastian Stiekel, dpa
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