Erfolg macht gute Laune: Bayern-Coach Julian Nagelsmann im Kreise seiner Spieler. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sven Hoppe/dpa)

Julian Nagelsmann saß als junger, kraftvoller Eroberer in Barcelonas Heiligtum Camp Nou und übertönte bei der Hymne auf «Weltstars» wie Robert Lewandowski und Thomas Müller oder seine pure Lust am Bayern-Job auch das laute Knattern der Rasenmäher.

Auf das mächtige 3:0-Statement bei seiner Champions-League-Premiere auf der Münchner Trainerbank gegen einen ohne die Magie eines Lionel Messi auf Zwergengröße geschrumpften FC Barcelona wollte sich der 34-Jährige sogar «ein kleines Schlückchen» im Teamhotel genehmigen.

Selbstbewusster Nagelsmann

Zwei Machtdemonstrationen innerhalb von drei Tagen lassen erahnen, dass die noch frische Beziehung zwischen dem im Profibereich bislang titellosen Nagelsmann mit den hochdekorierten Münchner Fußball-Assen ein lange währendes Glück finden könnte. Der gebürtige Bayer druckste kein bisschen herum, als die unvermeidliche Frage nach einer Münchner (Mit-)Favoritenrolle in der Königsklasse aufploppte. «Wenn wir uns weiterentwickeln, sind wir einer der Favoriten. Wir probieren es auf jeden Fall, einer zu sein», sagte Nagelsmann erfrischend offen(siv).

Es war der Kapitän, der am Ende der ersten Auslandsreise der Saison das 4:1 im Bundesliga-Topspiel gegen RB Leipzig und das reife 3:0 beim FC Barcelona auf eine höhere Ebene hob. «Es ist superwichtig für uns, in so einem Klassiker so eine Dominanz auszustrahlen», sagte Manuel Neuer: «In Leipzig haben wir einer großen Mannschaft in Deutschland gezeigt, wo es langgeht – und jetzt haben wir international mit dem tollen Start gegen Barcelona ein Ausrufezeichen gesetzt.»

Meilenstein nach nicht mal 100 Tagen

Nagelsmann muss die obligatorische 100-Tage-Frist zur Einarbeitung gar nicht ausreizen, um bei Deutschlands Topclub erste eigene Akzente zu setzen und die vielen Topspieler für sich und seine Fähigkeiten als Fußballlehrer und Chef einzunehmen. Die europäische Startnacht war für den Trainer ein Meilenstein. «Ich bin unglaublich froh. Es war für mich auch spannend, wie es ist, mit Weltstars zusammenzuarbeiten», bekannte Nagelsmann, dessen Leitfiguren wie Torwart Neuer (35), Torjäger Lewandowski (33) und Wortführer Müller (32) älter oder fast so alt sind wie er.

«Die Tendenz ist sehr gut. Es wird von Spiel zu Spiel besser», sagte Joshua Kimmich zur Symbiose zwischen dem ehrgeizigen Coach und den ewig hungrigen Münchner Profis. 13 Monate nach dem historischen 8:2 von Lissabon bestätigten die Bayern den Klassenunterschied zum Barça der Gegenwart. «Dieses Barcelona ist Lichtjahre entfernt von Bayern», schrieb «El Mundo» in Spanien entsetzt. «Bayern malträtiert Barça. Das erste Spiel der Gruppe bestätigt, dass zwischen den beiden Teams derzeit eine Kluft herrscht», befand Italiens «Gazzetta dello Sport».

«Haben es genossen»

«Hier zu spielen macht einfach richtig Spaß. Und die Jungs haben es genossen», sagte Thomas Müller nach dem «ganz wichtigen Signal» an alle in Europa. Wie beim 8:2 legte Barça-Schreck Müller wieder mit dem 1:0 den Grundstein. Lewandowski legte zweimal nach. «Thomas ist wie ein spielender Co-Trainer und hat gar keine Allüren», rühmte Lewandowski Vorarbeiter Müller. Und Weltfußballer Lewandowski habe eine Gier nach Toren, die den Trainer staunen und schwärmen lässt: «Er hört nicht auf. Das ist schon ein Charakterzug. Es kommt nicht von ungefähr, dass er so viele Tore schießt», sagte Nagelsmann. Nach sechs Saison-Pflichtspielen sind es schon wieder zehn.

«Sein ganzes Leben ist darauf ausgerichtet, Profisportler zu sein. Deswegen ist er mit dieser Konstanz unterwegs», sagte Nagelsmann. Lewandowski steht nun bei 75 Champions-League-Toren, Müller kratzt mit 49 an der Fünfziger-Marke. «Wir sind glücklich, aber wir wissen natürlich, dass wir schon noch was zu arbeiten haben», sagte Müller – und meinte damit in erster Linie nicht die individuelle Torquote.

Lob für Defensivarbeiter

Nagelsmann vergaß nicht, neben den Angreifern auch die Arbeitstiere in der Defensive zu würdigen, etwa den mit ihm aus Leipzig gekommenen 42-Millionen-Euro-Import Dayot Upamecano. Der Franzose verteidigte im Camp Nou mit Ausstrahlung und Hingabe. Nagelsmann formulierte eine klare Stellenbeschreibung für Abwehrspieler. Diese müssten «gewillt sein, alles dafür zu tun, dass wir kein Tor kriegen. Mir ist wichtig, dass wir diese Gier haben, die Stürmer vom Gegner aufzufressen.»

Auch Nagelsmann weiß, dass Trainer beim FC Bayern zu sein etwas Größeres ist als in Hoffenheim oder Leipzig. Darum drängte er bei RB so vehement auf seinen Wechsel, der die Bayern etliche Millionen kostete. «Ich bin jetzt das erste Mal bei einem Club, wo man auch auswärts in der Champions League nicht immer als Underdog hinfährt, sondern schon als einer, der gewinnen sollte», sagte Nagelsmann. Das Camp Nou, «dieses Stadion mit einer großen Historie», kannte er bis Dienstagabend nur von außen. Jetzt hat er sich drinnen verewigt.

Von Klaus Bergmann, dpa
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