Club-Besitzer Roman Abramowitsch hat die Verwaltung beim FC Chelsea abgegeben. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Matt Dunham/AP/dpa/Archiv)

Die Osttribüne des Wembley-Stadions leerte sich schnell. Während Jürgen Klopp und der FC Liverpool mit den mitgereisten Fans den Gewinn des Ligapokals (11:10 im Elfmeterschießen) feierten, eilten Tausende von Chelsea-Anhängern in ihren blauen Trikots zur U-Bahn.

Ihre Gedanken auf dem Heimweg dürften sich nicht nur um das verlorene Endspiel gedreht haben, sondern auch um die ungewisse Zukunft ihres FC Chelsea. Nachdem der russische Clubinhaber Roman Abramowitsch als indirekte Folge der Invasion in die Ukraine einen teilweisen Rückzug angekündigt hat, ist offen, wie es beim Club-Weltmeister weitergeht.

Noch hat sich für Chelsea nichts geändert

Thomas Tuchel erwartet zunächst keine Auswirkungen. «Ich glaube nicht, dass sich für mich im Tagesgeschäft irgendwas verändert», sagte der Chelsea-Coach nach dem Spiel am Sonntag. Er stehe im engen Kontakt mit Sportdirektorin Marina Granowskaja und dem technischen Berater Petr Cech. «Ich kümmere mich um die erste Mannschaft, gebe meinen Input und gebe mein Bestes, um Fußballspiele zu gewinnen.» Am Freitag hatte Tuchel allerdings eingeräumt, dass der russische Einmarsch in die Ukraine «viel Unsicherheit» für Chelsea bringe. «Wir sollten nicht so tun, als wäre das kein Problem», so Tuchel.

Tatsächlich hat sich noch gar nichts geändert. Bisher. Zwar erklärte der 55-jährige Abramowitsch in einer denkwürdigen Mitteilung, in der der Krieg in der Ukraine mit keinem Wort erwähnt wurde, die Kontrolle über den Verein an die Verwalter der wohltätigen Stiftung des FC Chelsea zu übergeben. Die müssten allerdings erstmal zustimmen. Doch für wohltätige Stiftungen wie die Chelsea Foundation gelten strenge Regeln. Dass die Verwalter parallel plötzlich auch die Geschicke des Fußballclubs lenken sollen, steht dem möglicherweise entgegen.

Forderungen nach Sanktionen werden lauter

Und selbst wenn die Stiftungsverwalter auf einmal die sportlichen Entscheidungen treffen, behält Abramowitsch seine Anteile, bleibt der Eigentümer und hat so am Ende doch das Sagen bei Chelsea. Obwohl er mittlerweile kein britisches Visum mehr hat, soll Abramowitsch laut Insidern kein Interesse daran haben, sich von dem Londoner Verein loszusagen, der unter seiner fast 20-jährigen Herrschaft national und international sämtliche möglichen Titel gewonnen hat.

Doch was ist, wenn die britische Regierung ernst macht und Sanktionen gegen den russischen Oligarchen verhängt? Bisher ist das zwar nicht passiert, obwohl Premierminister Boris Johnson das im Parlament fälschlicherweise behauptet hat. Doch die Forderungen in Großbritannien werden immer lauter. Der Labour-Abgeordnete Chris Bryant rief die Regierung eindringlich dazu auf, Abramowitschs Vermögen einzufrieren und ihm den FC Chelsea wegzunehmen.

Was das für die Darlehen von umgerechnet rund 1,8 Milliarden Euro bedeuten würde, mit der Abramowitschs Holdinggesellschaft den Londonern zu den vielen Erfolgen verholfen hat, ist völlig offen. Das Beispiel Chelsea zeigt aber sehr deutlich, dass es große Probleme mit sich bringen kann, wenn man sich mit politisch umstrittenen Inhabern einlässt. Die Blues sind damit in der Premier League nicht allein.

Und es gibt weitere umstrittene Inhaber

Zuletzt sorgte die Übernahme von Newcastle United durch ein saudisches Konsortium für Empörung. Der Traditionsclub gehört damit praktisch Saudi-Arabien. Dessen Kronprinz und faktischem Herrscher Mohammed bin Salman werden schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt. Scharfe Kritik kam von Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch, die zuvor aus ähnlichen Gründen die Besitzer von Manchester City kritisiert hatten. Man City gehört der City Football Group aus Abu Dhabi.

Die Wolverhampton Wanderers sind seit 2016 im Besitz der chinesischen Holdinggesellschaft Fosun International. Dahinter soll auch der Wunsch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping stehen, dass China mehr Einfluss im Europäischen Fußball gewinnt. Die chinesische Führung steht wegen Menschenrechtsverletzungen wie der Verfolgung der Minderheit der Uiguren und für ihre drastische Zensur in der Kritik.

Unterdessen wurde am Montag bekannt, dass Abramowitsch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine eine ganz neue Rolle einnehmen könnte. Ein Sprecher des russischen Milliardärs sagte der Nachrichtenagentur PA, Abramowitsch sei von ukrainischer Seite kontaktiert worden, um zu vermitteln und zu helfen, eine friedliche Lösung zwischen der Ukraine und Russland zu erzielen. Das wird man nicht nur in London gespannt verfolgen.

Von Philip Dethlefs, dpa
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