Münchens Robert Lewandowski (l) erzielte per Kopfball den Ausgleich. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Uwe Anspach/dpa)

Wenn Julian Nagelsmann im Mai erstmals und der FC Bayern zum zehnten Mal nacheinander die Meisterschale in die Höhe halten sollten, dann braucht niemand zu befürchten, dass der 34-Jährige in Ehren ergraut ist.

Auch wenn seine Mannschaft beim 1:1 (1:1) bei der TSG 1899 Hoffenheim zwischen Genie und Schlampigkeit schwankte und ihren Trainer teilweise zur Verzweiflung trieb. «Das Problem ist, graue Haaren wachsen mir nicht, sondern sie fallen aus. Ich finde graue Haare nicht so schlecht, aber ich krieg‘ keine», sagte Nagelsmann nach einem spektakulären Bundesliga-Spitzenspiel in Sinsheim grinsend.

Bayern lässt viele Chancen liegen

Den Chancenwucher seiner Fußball-Profis trug er gelassen. «Vergleiche ich das Spiel mit den Leistungen der letzten Wochen, ist es ein Schritt in die richtige Richtung – auch, wenn es skurriler Weise nur ein Punkt geworden ist», sagte Münchens Coach, der erstmals in seiner Amtszeit beim Rekordmeister zwei Ligaspiele nacheinander nicht gewann.

Eine Woche nach dem gleichen Ergebnis gegen Bayer Leverkusen und vier Tage nach der 7:1-Gala in der Champions League gegen RB Salzburg wirbelte der Tabellenführer nach Herzenslust. Nur: am Ende standen drei Abseitstore, ein Pfostenschuss von Serge Gnabry, Gelegenheiten quasi als Dutzendware und ein einziger Treffer. Zehn Schüsse der Bayern gingen auf das Gehäuse von Keeper Oliver Baumann, acht flogen daneben. An Nagelsmann früherer Arbeitsstelle glich Torjäger Robert Lewandowski in der Nachspielzeit der ersten Hälfte mit seinem 29. Saisontreffer die vorangegangene TSG-Führung von Christoph Baumgartner aus. Mehr gab es nicht zu bejubeln für die Gäste.

Punkteteilung für Neuer «enttäuschend»

Torwart und Kapitän Manuel Neuer fand es «enttäuschend», dass kein Sieg heraussprang. Er räumte aber auch ein: «Normalerweise rächt sich so ein Spiel noch, wenn du die Chancen liegen lässt.» Vor 25.600 Zuschauern ließ Nagelsmann Lewandowski, Gnabry, Thomas Müller, Leroy Sané und Kingsley Coman stürmen. Und den 19-jährigen Jamal Musiala, der als jüngster Spieler der Bayern-Historie sein 50. Bundesliga-Spiel bestritt.

Die Frage, ob das nicht zu Lasten der Defensive ging, war angesichts der Vielzahl der Hoffenheimer Chancen durchaus berechtigt, nervte Nagelsmann jedoch hörbar. «Nee», sagte er. «Nee! Ich habe die Frage die letzten vier Wochen 1734 Mal gestellt gekriegt. Ich finde es despektierlich Spielern wie Serge und King gegenüber. Das sind zwei Weltklassespieler, die verteidigen können.»

Offensive Aufstellung der Bayern

Die offensive Aufstellung mache die Bayern aktuell am stärksten. Am kommenden Freitag vor dem nächsten Spiel gegen Union Berlin werde er die Frage aber gerne wieder beantworten, fügte Nagelsmann versöhnlich hinzu. Er schimpfte auch über den Rasen. Der Ball sei ein paar Mal komisch weggesprungen: «Der Platz ist furztrocken.»

Was die Absicherung nach hinten angeht, könnten die Münchner bald wieder mehr Alternativen haben: Die Langzeit-Ausfälle Leon Goretzka und Alphonso Davies stehen vor der Rückkehr auf den Trainingsplatz. «Bei Leon sieht es gut aus, er wird am Dienstag teilbelastet», sagte Nagelsmann: «Das Knie reagiert aktuell nicht. Ich hoffe, dass das so bleibt.» Außenverteidiger Davies habe seine Herzmuskelentzündung nach einer vorangegangenen Corona-Infektion überwunden. «Aber er wird auf jeden Fall – wenn alles gut geht – noch drei bis vier Wochen fehlen.»

Weil die Bayern doch so manche Lücke nach hinten aufwiesen, hätte dieses herrliche Fußballspiel auch 10:6 für die Münchner ausgehen können. Wenn’s ganz dumm läuft für die Bayern, dann schießt Andrej Kramaric kurz vor Schluss das 2:1 für den Champions-League-Anwärter Hoffenheim. «Wir waren am Ende dem Sieg sogar einen Tick näher, was aber ein absoluter Lucky Punch gewesen wäre. Die Bayern hatten schon die klareren Chancen», resümierte Sebastian Hoeneß, Hoffenheims Trainer mit der Vergangenheit als Meistercoach beim FC Bayern II.

Von Ulrike John, dpa
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