Reals «Bermuda-Dreieck»: Toni Kroos (l-r), Carlos Casemiro und Luka Modric. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Adam Davy/PA Wire/dpa)

Der Finalabend von Paris wirkte mal wieder symptomatisch. Toni Kroos hatte soeben zum vierten Mal die Champions League mit Real Madrid gewonnen – doch in Erinnerung blieb beim deutschen Publikum nicht der Moment des Triumphs oder die ausgiebige Titelsause der Königlichen, sondern eine denkwürdige Interviewsequenz von weniger als zwei Minuten. 

Kroos lieferte sich dabei auf dem Rasen ein offenes Duell mit ZDF-Reporter Nils Kaben und attestierte diesem vor einem Millionenpublikum «Scheißfragen».

Als das Gespräch bereits beendet und Kroos eigentlich schon weg war, kam der 32-Jährige noch einmal zurück und legte aus dem Off bestens hörbar und vielsagend nach: «Du stellst erst drei negative Fragen. Da weißt du schon, dass du aus Deutschland kommst.» Deutlicher hätte man die kritische Haltung in der Heimat kaum anprangern können. Kroos fühlt sich ungeliebt, die kritischen Fragen Kabens waren für ihn ein Sinnbild.

Seit jener Titelnacht Ende Mai ist Kroos, der im Sommer 2021 aus dem Nationalteam zurückgetreten ist, aus dem öffentlichen Fokus in Deutschland weitgehend verschwunden. Das wird sich an diesem Mittwoch (21.00 Uhr/RTL und DAZN) ändern, wenn die Madrilenen in Helsinki um den europäischen Supercup spielen – gegen Eintracht Frankfurt als amtierenden Europa-League-Champion.

«Bermuda-Dreieck» im Real-Mittelfeld

Während es für die von 15.000 Fans begleiteten Hessen um den nächsten emotionalen Coup in Europa geht, haben Kroos und Co. längst den Ruf von Titelmaschinen. Starten der deutsche Ex-Weltmeister, Kroatiens Luka Modric und der Brasilianer Casemiro zusammen in ein Endspiel, wurde dieses in allen acht Fällen gewonnen. Trainer Carlo Ancelotti taufte das seit bald einem Jahrzehnt dominierende Trio im Mittelfeldzentrum jüngst «das Bermuda-Dreieck» – und wird im Olympiastadion in Finnland wohl mal wieder alle drei aufstellen.

Kroos ist in der vergangenen Dekade der mit Abstand erfolgreichste Fußballer Deutschlands. Neben dem WM-Sieg von Brasilien gab es gleich fünfmal den Henkelpott, dazu nationale Meisterschaften und Pokale in Spanien, mehrere Triumphe bei Supercups und Club-Weltmeisterschaften. Was die sportlichen Erfolge angeht, ist Kroos über jeden Zweifel erhaben.

Erfolgreich, aber nie verehrt in der Heimat

Doch der gebürtige Greifswalder wurde daheim nie verehrt, sondern maximal respektiert. Der langjährige Bayern-Patron Uli Hoeneß urteilte vor einem Jahr, Kroos‘ Art zu spielen sei «total vorbei» und der Mittelfeldmann passe «mit seinem Querpass-Spiel nicht mehr in den Fußball». Unter Kritikern hält sich – Titelflut hin oder her – weiter der Spitzname «Querpass-Toni». Kroos sagte zur Wertschätzung einmal: «Besser in Deutschland umstritten und weltweite Anerkennung als andersrum.»

Dass der frühere Bayern-Star außerhalb des Platzes als Reizfigur wahrgenommen wird, hat er sich aber auch selbst zuzuschreiben. Der  Schlagabtausch mit ZDF-Mann Kaben reiht sich ein in eine Serie von Provokationen und offenen Duellen, häufig geführt über Twitter oder den Podcast «Einfach Luppen», den er regelmäßig zusammen mit seinem  Bruder Felix aufnimmt.

Im Juli stichelte Toni Kroos mit der Aussage, Ed Sheeran habe mit seinem Konzert etwas geschafft, was er sehr selten erlebt habe: «Dass die Leute glücklich aus einer Veranstaltung im Schalke-Stadion gehen.» Der Konter der Königsblauen ließ nicht lange auf sich warten. «Wenigstens können wir nach Abpfiff coole Interviews geben.»

Von Patrick Reichardt und Emilio Rappold, dpa
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