Der FC Südtirol spielt in der Saison 2022/23 erstmals in der Serie B. (Urheber/Quelle/Verbreiter: -/FC Südtirol/dpa)

Spitzensport und Südtirol – da kommen einem zuerst die alpinen Ski-Asse in den Sinn. Vielleicht wandern die Gedanken zum Tennis und Shootingstar Jannik Sinner. Auch Radsportler, Rodler oder Wasserspringer aus der Alpenprovinz feierten schon Riesenerfolge.

Nun stößt auch ein Fußballclub aus Südtirol in höhere Sphären vor, wenn auch nicht ganz die Weltklasse. Nach dem erstmaligen Aufstieg in die italienische Serie B will der FC Südtirol gegen illustre Gegner – darunter drei Weltmeister – bestehen. Zugleich sieht sich der FCS als Aushängeschild für eine Region, deren Historie und Sprachenmix einzigartig sind und die auch rund um den Verein greifbar werden.

«Botschafter» für die ganze Region

Beim Trainingscenter in Eppan nahe Bozen, inmitten von Weinbergen und umgeben von der Südtiroler Bergwelt, blickt man mit «gemischten, aber positiven» Gefühlen auf den Saisonstart am Wochenende. Das sagt Geschäftsführer Dietmar Pfeifer, der in dem Verein einen «Botschafter» für die ganze Region sieht. Er verweist dabei stolz darauf, dass alle Serie-B-Spiele live in 46 Länder übertragen werden.

In etlichen Teilen der Welt, aber auch einigen Gegenden Italiens wird man erstmals vom FC Südtirol hören. Der Club sei «eine Visitenkarte, die nun in ganz Italien eine besondere Aufmerksamkeit erhält», sagt Landeshauptmann Arno Kompatscher, der Regierungschef in Bozen.

Manch ein Tifoso – etwa ganz im Süden in Palermo, Bari oder Reggio Calabria – dürfte verwundert sein über diesen Club mit dem in Italien so unüblichen Buchstaben «Ü» im Namen. Geografisch einordnen können die Provinz an der österreichischen Grenze oft nur jene Italiener, die im Wander- oder Skiurlaub schon einmal selbst dort waren.

Seit 1919 Italien zugehörig

Und in Deutschland wird Südtirol manchmal für einen Teil Österreichs gehalten. Das war bis ins Jahr 1919 so, dann fiel die Region nach dem Ersten Weltkrieg an Italien. Für die deutschsprachigen Einheimischen setzte es unter den Faschisten extreme Repressalien. Die deutsche Muttersprache war verboten, viele wurden zur Auswandung gedrängt, die Daheimbleiber mussten teils sogar ihre Namen ins Italienische übersetzen. Aus Johannes wurde Giovanni, aus Hofer wurde Dalmaso.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die Gleichberechtigung noch verwehrt; in den 60er Jahren kam es zu Protesten, Anschlägen, Toten. Erst 1972, vor 50 Jahren, wurden den deutschen Südtirolern zentrale Rechte in einem sogenannten Zweiten Autonomiestatut zuerkannt. Genau zwei Jahrzehnte später waren alle vereinbarten Maßnahmen zum Schutz der deutsch- und ladinischsprachigen Bevölkerung umgesetzt. 1992 folgte die sogenannte Streitbeilegung vor den Vereinten Nationen.

Die meisten aktuellen Profis des FC Südtirol waren damals noch gar nicht geboren. Für sie ist das Nebeneinander der Sprachen Deutsch und Italienisch heute normal. Eine italienische Fangruppe des FCS klagt zwar seit Jahren, dass der Vereinsnamen nur «Südtirol» und nicht «Alto Adige» ist – immerhin steht im Wappen neben «Bozen» auch «Bolzano». Kleinere Reibereien seien unter Sprachgruppen normal, sagt Geschäftsführer Pfeifer beschwichtigend der Deutschen Presse-Agentur. «Aber im Stadion stehen dann doch alle hinter dem FC Südtirol.»

Kleiner Etat – Trennung vom Trainer

Seine Anhänger wird der Verein brauchen, vor allem bei den Heimspielen in Bozen. Der FCS hat einen der kleinsten Etats der Liga. Auf dem Transfermarkt werden noch Verstärkungen gesucht. Und nur fünf Tage vor dem Saisonauftakt am Sonntag (20.45 Uhr) bei Brescia Calcio trennte sich der Verein auch noch überraschend von dem gerade erst neu verpflichteten Trainer Lamberto Zauli. Dazu muss der Außenseiter für einige Auswärtsspiele lange reisen: Palermo etwa ist 1500 Autobahnkilometer entfernt, da muss ein Flugzeug gechartert werden.

Die Konkurrenz kommt mit teils weltmeisterlichen Weihen: Torwart-Idol Gianluigi Buffon (Parma) und der Spanier Cesc Fabregas (Como) stehen in der Serie B auf dem Feld, Ex-Stürmer Filippo Inzaghi als Trainer bei Reggina an der Seitenlinie. Beim CFC Genua des deutschen Coaches Alexander Blessin spielt der ehemalige Frankfurter Stefan Ilsanker.

«Wir sind so ein bisschen der Exot der Liga», sagt Pfeifer. «Meist vertreten Clubs nur eine Stadt. Wir stehen für eine ganze Region.»

Und diese hat nun also nicht nur Skisportler als Zugpferde. «Wir sind weiterhin Wintersportland, aber wir freuen uns, dass wir nun auch im Fußball prominent mitmischen können», sagt Landeshauptmann Kompatscher. FCS-Geschäftsführer Pfeifer meint sogar: «Unsere Aufgabe ist es zu zeigen, dass man in Südtirol nicht nur Wintersport betreibt, sondern dass der Fußball die Nummer eins ist.»

Von Manuel Schwarz, dpa
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