Bundestrainer Hansi Flick (r) bedauert das Aus von Oliver Bierhoff. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Federico Gambarini/dpa)

Nach dem Aus von Oliver Bierhoff als DFB-Direktor werden viele Kandidaten für einen notwendigen Neuanfang der Fußball-Nationalmannschaft nach dem WM-Debakel gehandelt.

Hansi Flick kann in der großen Enttäuschung über das Scheitern in Katar noch keine Lösung erkennen und wirft damit neue Fragen über seine eigene Zukunft als Bundestrainer auf. «Meinem Trainerteam und mir fällt im Moment die Vorstellung schwer, wie die durch Olivers Ausscheiden entstehende Lücke fachlich und menschlich geschlossen werden kann», äußerte der 57-Jährige in einem sehr persönlich verfassten Statement auf der DFB-Homepage.

«Unsere Zusammenarbeit war immer von Loyalität, Teamgeist, Vertrauen und Zuverlässigkeit geprägt. Zusammenhalt war die DNA unseres Teams», sagte Flick über sein Wirken an der Seite Bierhoffs. «Für mich persönlich war Oliver innerhalb des Teams mein erster Ansprechpartner und Freund. Wir hatten als gemeinsames Ziel das Projekt EM 2024 in Deutschland», sagte Flick. Beide hatten bereits beim WM-Triumph 2014 in Brasilien mit dem damaligen Bundestrainer Joachim Löw ein erfolgreiches Team gebildet.

Kein Flick-Rücktritt

Einen Rücktritt hatte Flick unmittelbar nach dem Turnier-Aus im Presseraum des Al-Bait Stadions von Al-Chaur nach dem nutzlosen 4:2 gegen Costa Rica abgelehnt. Nun macht der bei seinem ersten Turnier gescheiterte Bundestrainer zumindest zwischen den Zeilen klar, dass er die Heim-EM 2024 nur in Angriff nehmen will, wenn er einen aus seiner Sicht verlässlichen Partner an seiner Seite haben wird. Bierhoff bleibt für ihn die Relevanzgröße.

Bei dem für diesen Mittwoch anvisierten Krisengipfel wird der Bundestrainer die Gründe für das nächste WM-Scheitern nun allein erklären müssen. DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte unmittelbar nach dem blamablen Vorrundenaus eine Sitzung mit ihm selbst, Bierhoff, Flick und Hans-Joachim Watzke als Aufsichtsratschef der Deutschen Fußball Liga (DFL) angekündigt. Erst wenn «die Analyse beendet ist», hatte Neuendorf betont, wolle man «auch mit einem Ergebnis» an die Öffentlichkeit gehen.

Das erste Ergebnis stand bereits vier Tage nach dem WM-K.o. fest: Bierhoff ist nicht länger Direktor im DFB. Der 54-Jährige verlässt nach 18 Jahren den Verband, beide Parteien verständigten sich auf eine Auflösung des bis 2024 laufenden Vertrages. «Oliver Bierhoff hat sich in 18 Jahren seiner Tätigkeit erhebliche Verdienste um den deutschen Fußball erworben», sagte Watzke, in Personalunion DFB-Vizepräsident und Geschäftsführer von Borussia Dortmund, auf dpa-Anfrage: «Dafür gebührt ihm Respekt, Anerkennung und Dank!»

Stolz und Selbstkritik

Der frühere Weltmeister Per Mertesacker reagierte mit Bedauern: «Er hat viel mehr gemacht als viele wahrscheinlich denken.» Borussia Mönchengladbachs Christoph Kramer hoffte, «dass er es selber entscheiden durfte, was für ihn das Richtige ist».

Bei seinen Abschiedsworten ließ Bierhoff Stolz auf seine Arbeit, aber auch Selbstkritik anklingen. In den vergangenen vier Jahren habe man es «nicht geschafft, an frühere Erfolge anzuknüpfen und den Fans wieder Grund zum Jubeln zu geben». Einige Entscheidungen hätten sich «nicht als die richtigen» erwiesen. «Dafür übernehme ich die Verantwortung.» Er mache nun «den Weg frei für neue Weichenstellungen».

Einem Bericht der ARD-«Sportschau» zufolge soll es bei einem Gespräch, an dem auch Watzke teilnahm, darum gegangen sein, Bierhoff den Bereich Nationalmannschaft zu nehmen. Für die DFB-Akademie sollte dieser demnach hingegen zuständig bleiben. Dies habe Bierhoff aber abgelehnt.

Nachfolgekandidaten

Wer künftig den Weg als für die Nationalmannschaften und die Akademie verantwortlicher DFB-Direktor vorgibt oder ob es zu einer Neustrukturierung der Aufgaben kommt, ist offen. Über die Nachfolge werden die DFB-Gremien beraten. Einem Bericht des «Kicker» zufolge wird Fredi Bobic, Geschäftsführer beim Bundesligisten Hertha BSC, für den Posten gehandelt.

Sollte Flick im Amt bleiben, könnte ihm nun auch ein sportlicher Leiter zur Seite gestellt werden. Die Rolle einer Art Manager hatte auch Bierhoff in seinen DFB-Anfangsjahren ausgefüllt. Ein Weltmeister mit öffentlicher Strahlkraft wäre denkbar – einer wie Sami Khedira?

Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus hatte schon vor dem Bierhoff-Aus in seiner Kolumne für den Pay-TV-Sender Sky dafür geworben, Leute wie Matthias Sammer, die «mit einer anderen Sichtweise und einer klaren Meinung neuen Spirit in den DFB bringen» könnten, in den möglichen Reformprozess des DFB einzubeziehen. Sammer, der früher beim DFB als Sportdirektor tätig war, ist zwar bereit zu helfen. Alle Ämter, wohl auch das des Sportdirektors, würde er selbst aber nicht mehr besetzen, sagte der externe Berater von Borussia Dortmund bei MagentaTV.

Sammer schlug seinerseits Matthäus als geeigneten Kandidaten vor. Der sieht eine feste Aufgabe im Verband aber skeptisch. Er sei «zu weit weg vom DFB» und habe aufgrund anderer Verpflichtungen «auch gar keine Zeit», sagte der 61-Jährige. Für Matthäus ist aber klar, dass über die Neuausrichtung nicht nur der innere Kreis des DFB bestimmen sollte, «wo alles «Friede, Freue, Eierkuchen» ist». Eines ist auch klar: Flick wird ganz genau hinschauen, wer ihm an die Seite gestellt werden soll.

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