Wie geht es in der Causa Martina Voss-Tecklenburg weiter? (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sebastian Christoph Gollnow/dpa)

Der Ton wird rauer. Warme Worte? Haben die deutschen Fußball-Nationalspielerinnen für die pausierende Martina Voss-Tecklenburg gerade nicht übrig.

Auf eindeutige Fragen zur Zukunft der Bundestrainerin weichen die Spielerinnen unmittelbar vor den nächsten Länderspielen aus oder antworten diplomatisch – Mittelfeld-Ass Lena Oberdorf leistete sich sogar klare Kritik an Voss-Tecklenburg. «Es gibt mir ein paar Fragezeichen natürlich. Ich hätte mir da durchaus etwas anderes gewünscht. Dass man sagt: Ok, wir klären erstmal, was bei der WM passiert ist», bemängelte Oberdorf, als publik wurde, dass Voss-Tecklenburg schon vor der noch immer offenen WM-Aufarbeitung wieder Vorträge hielt.

«Wir als Team haben ganz andere Dinge, die uns im Kopf sind. Das ist Olympia. Wir haben gar nicht das Recht, uns in viele Dinge einzumischen», sagte Mittelfeldspielerin Linda Dallmann vor dem wichtigen Nations-League-Spiel am Freitag in Sinsheim gegen Wales (17.45 Uhr/ARD). Siege in der Nations League sollen die Auswahl zu Olympia 2024 in Paris führen – und zu einer schnellen Trendwende unter Interimstrainer Horst Hrubesch.

Kapitänin Popp fällt aus

Dass in Kapitänin Alexandra Popp die Topspielerin aufgrund muskulärer Probleme ausfällt, soll daran nichts ändern. «Ich glaube, das können wir nicht zu 100 Prozent kompensieren, aber wir können es kompensieren», sagte Hrubesch am Donnerstag, nachdem er die Presserunde mit einem knackigen «Moin!» eröffnet hatte. Später bat er in der Sinsheimer Arena zum Abschlusstraining.

Dort erwartet der DFB diesen Freitag 18.500 Fans, und die will Hrubesch mit Tempofußball begeistern. «Ich glaube an diese Mannschaft, an die Qualität, die sie hat.» Jede Spielerin müsse nun Verantwortung übernehmen, «die Jungen müssen da auch mal in die Bresche springen», forderte der Coach.

Starke Dissonanzen zwischen Verband und Trainerin

Dazu braucht es freie Köpfe, doch aktuell gibt es rund ums DFB-Team nur ein Thema: die Causa Voss-Tecklenburg. Komplett weg ist die Gute-Laune-Stimmung, die vor allem das Team bei und nach der EM 2022 verbreitete. Das gilt auch für die Harmonie im Zusammenspiel zwischen Verbandsspitze und Voss-Tecklenburg. Die 55-Jährige und der DFB sprechen «derzeit in erster Linie» über Anwälte miteinander, hieß es vom DFB. Fragen zur Bundestrainerin wurden in einer Medienrunde am Mittwoch gestoppt. Donnerstags erklärte Hrubesch, er habe das Thema auch intern «in keiner Weise großartig erwähnt.»

Es kriselte zuletzt arg im deutschen Frauenfußball. Die völlig verpatzte WM mit Vorrundenaus im Sommer, das frühe Scheitern des VfL Wolfsburg in der Champions League sowie das Thema Voss-Tecklenburg, das den DFB nun schon seit bald zwei Monaten umtreibt. Erst meldete sich die ehemalige Spielerin im September krank, dann kam sie im Oktober zurück und trat zunächst einen Erholungsurlaub an. Bei diesem hielt sie mehrere Vorträge, statt die WM-Aufarbeitung voranzutreiben. Die Dissonanzen zwischen Verband und Trainerin wurden immer deutlicher. Wer wann mit wem spricht? Das ist gerade nicht so klar.

Das Team, offiziell noch Voss-Tecklenburgs Auswahl, will diese Misstöne möglichst leise drehen. «Es stehen wichtige Spiele an, daher kann ich, glaube ich, für die Mannschaft sprechen und sagen, dass das Thema gerade kein großes Gewicht hat», sagte Innenverteidigerin Sara Doorsoun in einem Sky-Interview.

In der Öffentlichkeit sieht das anders aus. Die Zukunft von Voss-Tecklenburg hat höchste Priorität, die Spiele gegen Wales und Island (31. Oktober) geraten gerade genauso zur Nebensache wie die offizielle WM-Bewerbung für 2027, die am Mittwoch verkündet worden war.

Hrubesch will dem Team neue Impulse geben

Als Hoffnungsträger kommt dem Team Gute-Laune-Routinier Hrubesch, der 2018 schon einmal interimsmäßig die DFB-Elf trainierte, gerade recht. «Wir haben sehr viel Lust, die Ideen von Horst umzusetzen», sagte Dallmann. Hrubesch habe sogar angekündigt, nach Frankreich zu laufen, um das Team in Paris spielen zu sehen, falls sie ihn nicht mit zu Olympia nähmen. Kontakt zu Voss-Tecklenburg hat er nicht.

Die weiteren Spiele der Nations League sind für Dezember angesetzt. Eine mögliche Finalrunde, die Deutschland für das Olympia-Ticket erreichen müsste, wäre erst im Jahr 2024. Doch nur der Gruppenerste kommt weiter – aktuell also der härteste DFB-Rivale Dänemark, der das direkte Duell 2:0 gewann und deshalb drei Punkte mehr hat.

Wie Rudi Völler, der bei den Männern in nur einem Spiel den Stimmungswandel schaffte, soll auch Sympathieträger Hrubesch (72) auf Gute-alte-Schule-Art bei den Frauen wirken. Doorsoun erklärte: «Er ist ein sehr geradliniger Mensch. Man weiß, was man von ihm kriegt. Er möchte Transparenz und Ehrlichkeit untereinander und miteinander haben. Klare Ansagen.» Dinge also, die an anderer Stelle möglicherweise nicht mehr in gewünschtem Maß vorhanden sind.

Dass Voss-Tecklenburg wieder an die Seitenlinie zurückkehren wird, scheint ausgeschlossen. Allerdings besitzt sie noch einen gültigen Vertrag bis zur EM 2025. Die Abfindungszahlung könnte für den klammen DFB teuer werden – und ist derzeit augenscheinlich einer der Knackpunkte in den Gesprächen, die hauptsächlich über Anwälte laufen.

Von David Joram und Patrick Reichardt, dpa
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