Fans von VfB Stuttgart feuern ihr Team aus dem Gästeblock des Olympiastadions an. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Andreas Gora/dpa)

Als Dedryck Boyata noch einmal aus den Katakomben des Olympiastadions kam, ging sein Blick in Richtung der Stuttgarter Fan-Kurve. Gut möglich, dass den Kapitän von Hertha BSC bei dem, was er da sah, auch ein Hauch Mitleid mit seinen vor dem Block stehenden VfB-Berufskollegen erfasste.

Das Gefühl, von den eigenen Anhängern beschimpft zu werden, kennen sie in Berlin zu genüge. Bei der Hertha sind sie in der Auseinandersetzung mit ihren zuletzt erbosten Unterstützern in der Kurve schon ein Stück weiter als die Schwaben.

Das hieß nach dem so wichtigen 2:0 gegen den direkten Rivalen VfB Stuttgart: Boykott! Kein Winken in die Kurve, keine La Ola und auch kein kollektives Humba Täterä. Obwohl durch die drei Punkte die Lage im Abstiegskampf wieder verheißungsvoll ist und Versöhnung eine Alternative gewesen wäre. Stattdessen sofortiger Marsch in die Kabine trotz zuvor lautstarker und leidenschaftlicher Anfeuerung des blau-weißen Anteils der 54.589 Zuschauer.

Abstiegskampf ist Nervensache

Im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga sind die Nerven enorm strapaziert, die große Anspannung ist spürbar. Und in Berlin haben sich die Spieler Distanz verordnet. «Wir haben intern als Mannschaft was besprochen, und das ziehen wir durch. Wenn sich was ändert, werdet ihr das merken», sagte Torschütze Davie Selke. Zu tief sitzt die Demütigung bei den Hertha-Profis, nachdem die Fans vor zwei Wochen nach dem 1:4 im Derby gegen Union Berlin die Spieler nötigten, die Trikots auf den Boden vor der Kurve im Olympiastadion zu werfen.

Den schmalen Grat der Fan-Beziehung versuchte Hertha-Trainer Felix Magath behutsam einzuordnen. Unterstützung für die Spieler, aber Hoffnung auf baldige Annäherung, war sein Motto. «Sie waren mit der Aktion nicht einverstanden», sagte Magath. Dies sei «in Ordnung so weit, dass die Spieler sich wehren gegen die Maßnahme damals», betonte der Chefcoach.

Selke dankt Fans für Unterstützung

Aber: In den nächsten Tagen solle es dazu kommen, «dass sich beide Gruppen annähern». Man müsse sich «gemeinsam gegen den Abstieg stemmen». Stürmer Selke grüßte eine Stunde nach dem Abpfiff immerhin schon mal via Twitter: «Danke für euren großartigen Support! Habt noch einen schönen Restsonntag, Hertha-Fans!»

Nach dem Sieg am Sonntag haben die Berliner als Tabellen-15. vier Punkte Vorsprung auf den VfB auf dem Relegationsrang 16. Der nächste Gegner Arminia Bielefeld ist als 17. auf dem ersten direkten Abstiegsplatz schon um sechs Punkte distanziert.

In Stuttgart ist die Eskalationsstufe trotz des offenen Disputs im Olympiastadion viel tiefer angelegt. Entsprechend deutlich fallen die Einordnungen der VfB-Verantwortlichen aus. «Die dürfen auch sauer sein. Unsere Aufgabe wird sein, sie mit jedem Zweikampf auf unsere Seite zu ziehen. Sie waren komplett im Support, die ganze Zeit. Sie haben einen herausragenden Job gemacht. Kritik ist verständlich», sagte Sportdirektor Sven Mislintat.

Von Arne Richter, dpa
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