Lionel Messi jubelt nach seinem Treffer. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tom Weller/dpa)

Weinende Trainer, tanzende Spieler und eine Liebeserklärung für Lionel Messi. «Argentinien ist aufgewacht», schrieb die Zeitung «Pagina12». Der Alptraum ist vorerst abgewendet.

«Jetzt haben wir es wieder in der Hand», betonte Messi und rief den WM-Neuanfang für den Titelmitfavoriten aus Südamerika mit einer Warnung an den kommenden Gegner, Polen mit Weltfußballer Robert Lewandowski, aus. «Wir werden das Spiel anders angehen», betonte Messi – anders als das mühevolle und lange Zeit zähe 2:0 gegen Mexiko am Samstag im Lusail-Stadion von Katar. 

Eine weitere Niederlage nach dem 1:2 vier Tage zuvor gegen Außenseiter Saudi-Arabien und Argentinien wäre raus gewesen. «Die Familie leidet, die Freunde leiden», sagte Trainer Lionel Scaloni nach dem Spiel zwischen «Erwartung, Angst, Euphorie und Erleichterung», wie «La Capital» schrieb. Scalonis Assistent Pablo Aimar nahm das alles so mit, dass er nach dem 1:0 von Messi in der 64. Minute schluchzend auf der Bank saß. 2006 bei der WM in Deutschland hatte er noch mit dem mittlerweile 35 Jahre alten Superstar der Argentinier zusammengespielt. 

«Es ist sehr emotional»

«Es ist sehr emotional, die Jungs spielen zu sehen», erklärte Scaloni, auch einst Profi und Nationalspieler des fußballverrückten und stolzen Landes. Nun steht es vor einer weiteren Nervenprobe am kommenden Mittwoch, wenn der ehemalige Star des FC Barcelona, Messi, auf den aktuellen Barça-Star, Lewandowski, trifft. Und der mehrfache Weltfußballer aus Argentinien auf den noch aktuellen aus Polen, der seinen ersten WM-Treffer beim 2:0 gegen Saudi-Arabien vor dem Argentinien-Sieg nicht weniger ergreifend erlebt hatte. «Ich glaube, je älter man wird, desto emotionaler wird man.» Lewandowski ist 34 Jahre alte, Messi 35. Am Sonntag starteten beide in die Vorbereitung für den Weltfußballer-Gipfel.

Und der Maestro der Argentinier wirkte befreit wie selten. «Gleicher Ort, andere Energie», beschrieb «La Nacion» das Training am Morgen nach dem Sieg über Mexiko auf dem Campus der Uni von Katar, bei dem Messi mal plaudernd gut gelaunt am Rand saß oder über den Platz schritt und den Moment genoss.

«Vamos!», hatte Messi der himmelblau-weißen Fan-Wand nach seinem zweiten Tor bei dieser WM entgegengeschrien und den Jubelgesang nach dem Spiel dirigiert. «Argentinien schlägt Mexiko mit der Hand Messis», titelte «La Capital» in Reminiszenz an die Hand Gottes, an Diego Maradona, dessen zweiten Todestag die Argentinier am Vortag der sportlichen WM-Erlösung von Katar kollektiv betrauert hatten. 

Scaloni liefert

Eine Freude wollten sie ihm bereiten, von wo auch immer Maradona zuschauen würde. Er hätte seinen Spaß gehabt. 2010 hatte er als Trainer im Achtelfinale mit den Argentiniern Mexiko mit 3:1 geschlagen. Diesmal lieferte Scaloni ab, nachdem er fast die halbe Mannschaft ausgetauscht hatte. 

«Wir wissen, dass wir einen wichtigen Schritt gemacht haben, aber uns ist bewusst, dass ein weiterer folgen muss, um das erste Ziel zu erreichen», sagte Messi, der jeden Mitspieler einzeln umarmte nach dem Schlusspfiff. «Das Wichtigste ist, dass wir ihm immer helfen», betonte sein langjähriger Sturmkollege Ángel di María. 

Und es war in der Tat auffällig, wie alle sich für und mit dem Kapitän freuten, dem nach dem Gewinn der Copa América nur noch der WM-Triumph zur finalen Krönung seiner einzigartigen Karriere fehlt. Gewinnt Argentinien auch gegen Polen (4 Punkte), sind die Südamerikaner im Achtelfinale. Bei einem Remis sind sie vom Ausgang des Spiels zwischen Saudi-Arabien (3) und Mexiko (1) abhängig.

Doch am Samstag um Mitternacht in Lusail wollten sich alle erstmal nur freuen. Sie tanzten auf den Bänken in der geräumigen Umkleidekabine, sie hüpften auf dem Boden und auf dem Tisch. Messi machte den Maestro und alle intonierten seinen Lieblings-Fangesang, in der es in einer Zeile heißt: «Ich will den dritten (Titel) gewinnen, ich will Weltmeister werden.»

Die Tage seien lang gewesen nach der Niederlage gegen die Saudis, betonte Messi. Es war die erste Pleite der Argentinier nach zuvor 36 ungeschlagenen Spielen. Als Mitfavorit waren sie auch deshalb angereist. Zum Seelentrost hatte Trainer Scaloni seinen gebeutelt-deprimierten Profis auf dem Campus der Universität von Katar nur ein paar Kilometer vom Finalstadion der WM entfernt Familien-Besuch gegönnt. «Vamos Argentina!!», schrieb Messis Frau Antonela Roccuzzo nach dem Sieg gegen Mexiko bei Instagram zum Foto unter anderem mit den drei Söhnen. 

Und alle im Argentinien-Trikot mit der Nummer des berühmten Vaters, von dem wieder einmal Wohl und Wehe der argentinischen Nationalmannschaft bei einer WM abhängt. Sein Treffer gegen Mexiko war sein achtes WM-Tor im 21. Spiel – gegen Polen wird er Maradona bei der Anzahl der Spiele überholen, trifft er, wird er es auch bei den Toren tun. «Die 10 hat das Spiel entschieden.» 

Es ist die 10, die Messi trägt, Maradonas sportlicher Erbe, der sich nach einem hochemotionalen Abend in Katar noch über eine besondere Botschaft seiner Frau freuen durfte: «Wie ich dich liebe», schrieb sie in ihrer Instagram Story zu dem Bild, auf dem Messi, mit ausgebreiteten Armen auf die jubelnden Fans nach seinem Tor zuläuft. Sie lieben ihn auch.   

Jens Marx und Miriam Schmidt, dpa
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