Wird in der Türkei «Goldjunge» genannt: Arda Güler. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd Thissen/dpa)

Draußen feierten die völlig euphorischen Fans wie bei einem EM-Titel, drinnen saß Matchwinner Arda Güler schüchtern auf dem Podium. Der Auftritt des 19-Jährigen im Presseraum des BVB-Stadions stand im krassen Gegensatz zu den Partys der türkischen Fußball-Anhänger in ganz Deutschland. Mit Autokorsos, bengalischen Fackeln und lauten Gesängen untermauerten die Anhänger in Berlin, Dortmund oder Düsseldorf eindrucksvoll die These ihres Mittelfeldspielers Kaan Ayhan, der in der ARD sagte: «Ich würde sagen, wir sind der zweite Gastgeber hier.»

Mit seinem Traumtor zum 2:1 ebnete Güler der Türkei den Weg zum 3:1-Auftaktsieg gegen Georgien. Das Ausnahmetalent von Real Madrid soll der nächste große türkische Fußball-Held werden. Neben dem Platz fehlt ihm zwar noch sehr viel zur Aura eines Weltstars wie Cristiano Ronaldo, den er als jüngsten Torschützen beim EM-Debüt ablöste. Auf dem Rasen bewies Güler jedoch eindrucksvoll, warum er in der Türkei «Goldjunge» genannt wird.

Tor und Sieg als Geburtstagsgeschenk

Auf der rechten Außenbahn wirbelte er unermüdlich. Güler flankte immer wieder, zog dynamisch in die Mitte und zeigte bei seinem Treffer seine außergewöhnliche Schusstechnik. «Er wird nach dem Turnier zu den besten Spielern des Turniers gehören», sagte Mitspieler Yusuf Yazici.

Von Güler selbst hörte man derart offensive Aussagen nicht. Der Champions-League-Sieger hielt sich mit Kommentaren generell und mit jenen zu seiner eigenen Leistung ganz besonders zurück. «Hoffentlich kann ich noch mehr Tore schießen, um meinem Team zu helfen», war das angriffslustigste, was der von der UEFA als Spieler des Spiels geehrte Teenager sagte.

Sein Tor widmete er seinem Trainer Vincenzo Montella zum 50. Geburtstag. Der Coach bedankte sich lächelnd und mit einem väterlichen Griff an die Schulter. Dass Güler gleich in seinem ersten EM-Spiel so auftrumpft, hatten der italienische Trainer und die türkischen Fans vielleicht erhofft. Zu erwarten war es nicht unbedingt.

«Der Ball liebt ihn»

Güler hat eine komplizierte Saison bei Real hinter sich. Nach seinem Wechsel zu den Königlichen im vergangenen Sommer warfen ihn Verletzungen immer wieder zurück. Als Güler wieder genesen war, baute ihn Coach Carlo Ancelotti behutsam auf. Sein erstes Ligaspiel in Spanien bestritt Güler Ende Januar. Es folgten neun weitere Partien in der Primera División, fünf davon als Einwechselspieler. Mit sechs Toren deutete Güler an, was in ihm steckt.

Nun zeigte er das auch auf der ganz großen europäischen Bühne und freute sich über die Gratulation seines Vereinscoaches. Ancelotti habe sich bereits bei ihm gemeldet, verriet Güler noch am Abend des Spiels. Zur 65 Jahre alten Trainerlegende hat er eine besondere Beziehung. «Arda hat eine Gabe», sagte Ancelotti einmal über seinen Schützling. «Der Ball liebt ihn.»

Und nicht nur der. Türkische und arabische Kommentatoren brüllten ihre Freude über Gülers Tor ins Mikrofon. Der frühere deutsche Nationalspieler und Weltmeister von 2014, Mesut Özil, ließ die Öffentlichkeit via X an seiner Anerkennung für Güler teilhaben und der staatliche Sender «TRT Spor» schrieb: «Er wird nicht der Spieler des Spiels sein, sondern der Spieler der Euro 2024: Arda Güler.» Die nächste Chance, einen Schritt dahin zu machen, hat Güler am Samstag gegen Portugal.

Von Thomas Eßer, Heinz Büse und Anne Pollmann, dpa
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