Mit-Gastgeber Australien feiert bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen ausgelassen seine Matildas und hofft nun auf den nächsten Coup gegen Europameister England.
Das Team von Chefcoach Tony Gustafsson zog nach einem dramatischen 7:6 (0:0) im Elfmeterschießen gegen Frankreich erstmals in ein WM-Halbfinale ein. Im zweiten Viertelfinale mühten sich die Lionesses gegen Deutschland-Schreck Kolumbien zu einem 2:1 (1:1)-Erfolg.
Bei WM-Gewinn möglicher Nationalfeiertag
Der australische Premierminister Anthony Albanese will sich sogar dafür einsetzen, dass es bei einem Weltmeisterschafts-Triumph der Matildas am 20. August einen einmaligen Feiertag geben soll. Der 60 Jahre alte Labor-Politiker stößt dabei aber auf Widerstand in der Industrie und bei der früheren Nationaltorhüterin Melissa Barbieri. «Albanese redet ständig von diesem verdammten Feiertag. Wie wäre es, wenn Sie unseren Sport richtig finanzieren?», schrieb Barbieri auf der Online-Plattform X, die bislang unter dem Namen Twitter bekannt war.
«Ich bin so unglaublich stolz auf mein Team», sagte Australien-Coach Gustafsson nach dem nervenaufreibenden Zittersieg. «Der Mut, die Courage, die alle gezeigt haben, ist unfassbar.» Er habe seinen Spielerinnen vorher gesagt: «Hier geht es nicht um die Medaille, hier geht es um das Herz, das schlägt.» Voller Leidenschaft kämpfte seine Auswahl um das Weiterkommen und spielt nun am kommenden Mittwoch (12.00 Uhr MESZ/ARD) in Sydney gegen England um den Einzug ins Endspiel. Im anderen Halbfinale treten Spanien und Schweden bereits am Dienstag in Auckland (10.00 Uhr MESZ/ZDF) gegeneinander an.
Längstes Elfmeterschießen bei einer WM
Knapp 50.000 im Stadion von Brisbane und viele Millionen vor den Fernsehern erlebten das längste Elfmeterschießen der WM-Historie mit 20 Schützinnen. Zwischendurch hätte Torhüterin Mackenzie Arnold als Schützin alles klarmachen können, vergab aber. Am Ende war es Cortnee Vine, die als Letzte vom Punkt traf und jubelnd abdrehte. In der regulären Spielzeit und der Verlängerung waren keine Tore gefallen. Am Ende scheiterte die unglückliche «Équipe Tricolore» wie schon 2019 bei ihrem Heim-Turnier im Viertelfinale.
Frankreichs Coach Hervé Renard hatte kurz vor Ende der Verlängerung seine Torhüterin Pauline Peyraud-Magnin durch Elfmeterspezialistin Solene Durand ersetzt, am Ende nutzte diese Maßnahme aber nichts. «Kopf hoch und an die Olympische Spiele denken!», meinte Renard angesichts der Sommerspiele im nächsten Jahr in Paris.
Kerr mit Jockerrolle
Superstar Sam Kerr war dieses Mal unter großem Jubel bereits nach 55 Minuten als Joker gekommen und stärkte ihre australische Auswahl. «Sie hat das Spiel gedreht», lobte später Gustafsson. Die 29-jährige Stürmerin des FC Chelsea hatte aufgrund einer Wadenverletzung in der Vorrunde gefehlt und wurde im Achtelfinale gegen Dänemark (2:0) erstmals eingewechselt.
England im Halbfinale
England steht zum zweiten Mal nach 2015 in einem WM-Halbfinale. Leicy Santos hatte die willens- und kampfstarken Kolumbianerinnen in Führung gebracht (44.). Lauren Hemp glich kurz vor der Pause für England (45.+6) aus, ehe Alessia Russo der Siegtreffer gelang (63.). Kolumbien hatte beim 2:1-Gruppensieg gegen Deutschland mit für das frühe Aus der DFB-Frauen gesorgt.
Die Engländerinnen taten sich lange sehr schwer gegen die südamerikanischen Vize-Meisterinnen. «Es war ein Heimspiel für Kolumbien», sagte die Niedereländerin Sarina Wiegman, die letzte verbliebenen Trainerin im Turnier, angesichts der lautstarken Fans der Cafeteras. «Natürlich in ich sehr, sehr glücklich, dass wir eine weitere Woche hier sein dürfen. Und ich bin wirklich stolz auf das Team. Die Spielerinnen haben einen großartigen Job gemacht.»
Mit einem langen Ball zum 1:0 ins Netz narrte Santos Welttorhüterin Mary Earps. Beim Ausgleich patzte Catalina Perez, die in der nächsten Saison bei Werder Bremen spielt, zwischen den Pfosten Kolumbiens: So stocherte Hemp den Ball ins Tor. Zwar war Kolumbiens Jungstar Linda Caicedo bei der erfahrenen Lucy Bronze meist in guten Händen. Doch dem englischen Team fehlten in der Offensive lange die Ideen – bis Bayern-Profi Georgia Stanway Russo bediente und die Arsenal-Stürmerin das 2:1 erzielte.