Leverkusens Alejandro Grimaldo (M) beschert der Werkself mit seinem Treffer zum 1:2 den vierten Sieg in Folge. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Swen Pförtner/dpa)

Eine halbe Stunde lang hatte Bayer Leverkusen ausnahmsweise nicht die Spielkontrolle – und dann kam Florian Wirtz. Mit der Einwechslung des 20-Jährigen, der nach zwei Länderspielen in der Startelf eine Verschnaufpause bekommen hatte, riss die Werkself die Partie beim VfL Wolfsburg wie auf Knopfdruck wieder an sich, gewann mit 2:1 (1:1) und löste mit 22 von 24 möglichen Punkten Borussia Dortmund nach einer Nacht sofort wieder an der Tabellenspitze ab. Das zeigte die Klasse von Wirtz – und die Kaderbreite der Leverkusener, die zu einem echten Meisterschafts-Anwärter heranreifen.

Wirtz wird zum Dosenöffner

«Flo hatte heute einen sehr, sehr großen Einfluss auf unser Spiel», sagte Trainer Xabi Alonso. Der Jungstar war in der 60. Minute beim Stande von 1:1 in ein für Bayer in dieser Saison ungewohnt kompliziertes Spiel gekommen. Eine Minute später bereitete er Victor Boniface eine Chance vor, die dieser noch vergab. Eine weitere Minute später fiel der Siegtreffer durch Alejandro Grimaldo, nachdem Wirtz den Ball knapp verpasst hatte.

«Man sieht, dass wir eine Bank haben, die uns wieder lebendig machen und wieder Feuer geben kann», sagte Anführer Granit Xhaka: «Darüber, dass die Qualitäten von Flo Wirtz unglaublich sind, muss man ja gar nicht reden. Er ist ein brutal wichtiger Spieler. Aber wir haben genug Qualität, dass jeder auch mal eine Pause kriegt.»

Mehr Rotation in Englischen Wochen

Dabei hatte Alonso seine Stammelf eigentlich gefunden. In den ersten sieben Liga-Spielen hatte er sechsmal dieselbe Formation aufgeboten, der zuvor einzige Wechsel war in der späten Länderspiel-Rückkehr von Exequiel Palacios begründet gewesen. In Wolfsburg nahm Alonso nun zwei Wechsel vor, mit dem Ergebnis, das Spiel quasi von der Bank zu gewinnen. Der frühere Welt- und Europameister ließ durchblicken, dass er künftig mehr rotieren will. «Wir haben jetzt drei Englische Wochen in Folge. Wenn wir immer mit derselben Aufstellung spielen, ist das fast unmöglich.»

Ein weiterer Beleg für die Kader-Tiefe war die Tatsache, dass Torjäger Patrik Schick bei seinem Kader-Comeback nach 226 Tagen letztendlich gar nicht eingewechselt wurde. Die Partie sei nicht dafür geeignet gewesen, begründete Alonso. «Das Spiel war sehr eng und sehr intensiv», sagte der Trainer: «Wenn wir ein bisschen mehr Spielkontrolle haben, ist es besser für ein erstes Spiel nach sieben Monaten. Aber wir hoffen, dass er im nächsten Spiel seine Chance bekommen kann.» 

Werkself weiter erfolgreich

Dass Bayer nach vielen glänzenden Auftritten nun ein solch herausforderndes Spiel mit einem Arbeitssieg beendete, gibt weiteren Aufschwung. «Wir zeigen komplett verschiedene Gesichter», sagte Xhaka: «Aber wenn es mal nicht so läuft, sind wir füreinander da.» 

Diese Bandbreite verstärkt den Respekt bei der Konkurrenz. Ein ambitioniertes Team wie Wolfsburg änderte am Samstag extra das bewährte System. «Wenn man gegen Leverkusen mit Viererkette agiert, ist es schwierig, das zu verteidigen», sagte Trainer Niko Kovac. Und zog das zufriedene Fazit: «Wir haben mithalten können.» Die vergangene Saison hatte Leverkusen mit einem Punkt mehr als Wolfsburg beendet. 

Für Sportchef Marcel Schäfer war es am Ende genau deswegen noch ärgerlicher, dass der VfL nicht als zweiter Club nach dem FC Bayern (2:2) gegen die Werkself punktete. «Wenn du gegen so eine spielstarke Mannschaft mal drei, vier, fünf bekommst, dann weißt du warum und fährst nach Hause», sagte er: «Jetzt haben wir ein ordentliches Spiel gemacht. Das macht es umso schwieriger, das zu akzeptieren.»

Von Holger Schmidt, dpa
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