Inmitten Tausender glückseliger Fans im Bochumer Stadion konnten sich Trainer Thomas Letsch und seine Helden kaum vor Umarmungen retten. Der Klassenerhalt des VfL Bochum in der Fußball-Bundesliga durch das 3:0 (2:0) gegen den Europacup-Aspiranten Bayer Leverkusen sorgte in der Ruhrgebietsstadt für große Emotionen.
«Was die Mannschaft, den Verein und die Stadt ausgezeichnet hat: Wir sind immer wieder aufgestanden, haben dran geglaubt. Und es musste der 34. Spieltag sein, Heimspiel, volle Hütte», sagte Thomas Letsch, eine kleine Ewigkeit, nachdem er dem Trubel entronnen war.
Die Botschaft trug Letsch, der Architekt des bemerkenswerten Weges des Traditionsclubs in dieser Saison, passend auf seinem schwarzen T-Shirt: «Zusammen Eins». Er wollte weitere Gedanken folgen lassen – vergeblich: Vor dem Presseraum forderten die Fans seine Anwesenheit, er öffnete das Fenster, rief: «Ihr seid die Größten», und hörte andächtig die Gesänge.
Schwacher Start
Nach sieben Spieltagen hatte der VfL einen Punkt und war Letzter. Da war die Trennung von Aufstiegstrainer Thomas Reis bereits geräuschvoll vollzogen worden. Letsch startete am achten Spieltag mit einem 0:4 in Leipzig – setzte dann mit seinem Team beim 3:0 gegen Frankfurt ein erstes Ausrufezeichen. «Er hat für gute Stimmung gesorgt, Selbstvertrauen und uns den Glauben wiedergegeben», sagte Bochums Kapitän Anthony Losilla. Nach dem 0:2 in Gladbach hatte der Franzose vor laufenden TV-Kameras vor Enttäuschung noch so Herz zerreißend und vergeblich mit den Tränen gekämpft. Am Samstag konnte der 37-Jährige vor Freude «die Tränen nicht verhindern».
Zunächst hatte vor 26.000 Zuschauern die Rote Karte für Leverkusens Amine Adli (8. Minute) den Weg geebnet. Dann folgten die Tore von Philipp Förster (19.) und Takuma Asano (34.). Kevin Stöger (86.) setzt mit einem Heber den Schlusspunkt. «Ganz Bochum hat diesen Klassenerhalt verdient», sagte Stöger nach seinem Kunstschuss. «Es ist einfach geil. Keiner hat uns das nach den ersten sechs Spielen zugetraut. Nicht der Trainer, nicht die Mannschaft, sondern der ganze Verein hat das geschafft.
Für Bochum hat dieser Klassenerhalt genauso wie für die anderen Clubs im Keller alleine wegen der viel größeren finanziellen Möglichkeiten, so zum Beispiel wegen der hohen TV-Gelder, besondere Bedeutung. Der VfL hatte bereits angekündigt, bei einem Klassenerhalt mit einem höheren Lizenzspieleretat in die neue Saison gehen zu können. Von 35 bis 40 Millionen Euro im Vergleich zu bisher rund 30 Millionen ist die Rede.
Auch Leverkusen mit Aufholjagd
Die kommende Saison – die ist erst einmal weit weg. Auch Bayer Leverkusen kann durchschnaufen. Dank der Wolfsburger Pleite ist Platz sechs und die Teilnahme an der Qualifikation für die Conference League perfekt. Trainer Xabi Alonso hatte die Mannschaft als Nachfolger von Gerardo Seoane auf Rang 17 übernommen. «Wir waren wütend heute», sagte der einstige Titelsammler als Spieler, der nun die erste Saison als Cheftrainer hinter sich hat. «Als ich kam, war die Situation sehr schlecht. Jetzt haben wir es noch nach Europa geschafft.»
Am kommenden Samstag kann es sogar noch die Europa League werden, wenn RB Leipzig das DFB-Pokal-Finale gegen Frankfurt gewinnen sollte. «Nächstes Wochenende bin ich Leipzig-Fan», sagte Alonso.
Der direkte Klassenerhalt bescherte Kollege Letsch unverhofft Urlaub. Seine Familie sei bereits unterwegs, er habe wegen einer möglichen Relegation aber noch nicht gebucht. Das wolle er aber direkt tun. Davor stand aber noch die Sause mit der Mannschaft. «Bier wird es auf jeden Fall sein – ob noch etwas dazu kommt, weiß ich nicht», sagte der 54-Jährige und entschwand – wohl wie im vergangenen Jahr in das berüchtigte Bochumer Bermuda-Dreieck.