Tief im Westen floss das Bier im Bochumer Vergnügungsviertel Bermudadreieck bis in die frühen Morgenstunden. Nach einem der spannendsten Relegationsspiele der Geschichte waren die Kicker des VfL Bochum selbst von ihrem nicht mehr für möglich gehaltenen Comeback überwältigt. Auf eine Feier in der Kabine des Düsseldorfer EM-Stadions war niemand richtig vorbereitet, die T-Shirts mit dem Aufdruck «Ihr, Wir, in Jahr 4» lagen noch im Auto.
«Sind wir doch ehrlich», sagte Geschäftsführer Sport Patrick Fabian. «Keiner da draußen hätte noch irgendwas auf uns gegeben», befand der 36-Jährige, nachdem der VfL das 0:3 gegen Fortuna Düsseldorf aus dem Hinspiel noch aufgeholt und sich den Klassenverbleib und das vierte Jahr in der Fußball-Bundesliga nacheinander mit einem 6:5-Sieg im Elfmeterschießen in letzter Sekunde gesichert hatte.
In 25 Relegations-Duellen hatte es zuvor nur einmal ein Elfmeterschießen gegeben – 1988. Einen Drei-Tore-Rückstand hatte noch kein Team in den Ausscheidungsspielen aufgeholt. «Jetzt stehen wir da und haben es geschafft. Damit haben wir Geschichte geschrieben», sagte Interimscoach Heiko Butscher, der mit seinen Spielern im Training selbst das Elfmeterschießen auf dem Programm hatte. «Das sind diese Randgeschichten. Wir haben es im Training gemacht und auch die Schützen waren klar», erklärte der Trainer, der auch davon sprach, dass die Mannschaft zwei Tage am Boden war. «Ich habe jede Nacht darüber nachgedacht, wie wir das noch schaffen können», sagte Kapitän Anthony Losilla.
Glückwünsche von Gündogan
Gratulation gab es auch von einem prominenten Ex-Bochumer. «Wahnsinn! Was für ein Relegationsduell! Glückwunsch an meinen Jugendverein zum Klassenerhalt… was für ein Comeback!», schrieb Nationalspieler Ilkay Gündogan vom FC Barcelona bei X.
Es waren surreale Szenen, die sich nach dem unglücklichen Fehlschuss des Düsseldorfers Takashi Uchino am Montag im Stadion abspielten. Die Düsseldorfer Anhänger hatten an ihrer Aufstiegs-Choreographie gearbeitet, einen Fanmarsch zum Stadion hingelegt und die Bundesliga-Rückkehr schon besungen. Die Jubelstürme brachen aber dann im Bochumer Block los, bei vielen Düsseldorfer Spielern flossen die Tränen. Vielleicht wurde zu viel über Feier-Location und Aufstiegsparty am Rathaus gesprochen – letztlich scheiterte das Team an den eigenen Nerven.
Für die Bochumer, die sich nach dem Hinspiel heftiger Kritik ausgesetzt sahen, war es unter diesen Umständen ein ganz besonderes Erlebnis. Vor allem auch für Trainer Butscher, der wohl wieder als U21-Coach in Bochum arbeiten wird. «Ich freue mich, dass ich Teil dieser Geschichte werden konnte. Auf mich ist auch viel eingeprasselt. Es ist schon eine kleine Genugtuung, weil viele nicht mehr daran geglaubt haben», sagte der 36-Jährige.
Natürlich sei es ein Ziel, auch in der Bundesliga zu arbeiten. «Ich weiß, was ich kann und dass ich ein ganz guter Trainer bin. Ich habe so viel Demut in mir. Es muss nicht nächstes Jahr sein, es kann auch in fünf Jahren sein», sagte Butscher.
Trotz des Klassenverbleibs ist nicht alles rosig an der Castroper Straße. Auch die Zukunft von Geschäftsführer Fabian ist ungewiss. Der langjährige Bochumer Profi war verärgert über Kritik im Umfeld und intern. «Kritik ist das eine. Alles andere, was an Unwahrheiten verbreitet wird – ich dachte, der VfL Bochum sei anders. Das müssen wir anders machen. Bochum braucht immer die Gemeinschaft», sagte Fabian.
Tränen auch beim Trainer
Die Düsseldorfer werden einige Tage benötigen, um das alles zu verarbeiten. «Sie dürfen sich so viel Zeit nehmen, wie sie wollen. Heute war schon hart», befand Fortunas Trainer Daniel Thioune. Der sonst so coole Coach war selbst angeschlagen. «Die Hälfte der Jungs könnten meine Söhne sein. Sie waren total enttäuscht, haben geweint und so ein paar Tränen muss man dann auch als Trainer wegräumen».
Vorstandsmitglied Klaus Allofs versprach für die kommende Saison: «Wir greifen wieder an». Die besten Spieler wie die ausgeliehenen Christos Tzolis und Isaak Johannesson oder Ao Tanaka werden möglicherweise in der Zweiten Liga durch die verpassten Zusatz-Millionen an Fernsehgeld nicht zu halten sein. Allofs glaubt dennoch an die nächste Chance. «Es war wieder ein Schritt nach vorn. Jetzt müssen wir sehen, dass wir dranbleiben», meinte er. «Dann kommt der Tag, an dem wir aufsteigen».