Wird am Donnerstag 75 Jahre alt: Reiner Calmund. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Rolf Vennenbernd/dpa)

Es gibt eigentlich kaum eine Frage, die Reiner Calmund in diesen Tagen noch nicht beantwortet hat. Vor seinem 75. Geburtstag an diesem Donnerstag stellte die «Sport Bild» ihm sogar gleich 75 Fragen und druckte «das schnellste Calli-Interview aller Zeiten» auf vier Seiten. Wer den redebedürftigen Calmund kennt, ahnt, was für eine Herausforderung es für ihn gewesen sein muss, 75 Mal nur mit einem Satz zu antworten. Er schaffte es trotzdem irgendwie.

Doch nach all seinen Interviews in den vergangenen Tagen fällt es tatsächlich schwer, ihn noch zu überraschen. Bis er am Telefon plötzlich doch kurz ins Stocken gerät.

«Mensch Jung, damit haste mich jetzt echt zum Nachdenken jebracht», sagt er auf typische Calli-Art, als er nach seinem Ende als Fußball-Manager im Jahr 2004 gefragt wird. Von 1976 bis zu eben jenem Sommer vor fast 20 Jahren hatte er für Bayer Leverkusen gearbeitet, und die Bilanz mit seinem Herzensclub liest sich durchaus beeindruckend. Auch dank seiner Umtriebigkeit feierte Bayer die bis heute größten Erfolge seiner Vereinsgeschichte: UEFA-Cup-Sieger 1988, DFB-Pokalsieger 1993, Champions-League-Finalist 2002. In Erinnerung bleiben natürlich auch noch die für ihn tragischen Vizekusen-Jahre, als der Werksclub zwischen 1997 und 2002 viermal Zweiter in der Bundesliga wurde.

Abschied vom Fußball-Geschäft

Aber trotzdem: Im zarten Manager-Alter von 55 Jahren verließ Calmund Leverkusen im Sommer 2004 als jemand, der aus einem ehemaligen Zweitligisten einen Spitzenclub geformt hatte. Warum also hat er danach nie wieder in offizieller Funktion für einen anderen Verein gearbeitet? Wieso gelang einem wie ihm, der das Rampenlicht nicht verabscheut hat, so konsequent der Abschied aus einem so schillernden Business? Er denkt also über eine Antwort nach. «Da muss ich schon überlegen. Ich hatte direkt ein, zwei gute Angebote, war aber auch ziemlich ausgebrannt. Fast 30 Jahre am Stück, immer in der Verantwortung, immer unterm Brennglas, das macht dich schon leer», sagt er.

In einem USA-Urlaub mit seiner Frau Sylvia tankt er Kraft, im Spätsommer 2004 fühlt er sich dann eigentlich wieder bereit. Doch anstatt eines Bundesligisten meldet sich RTL. Der TV-Sender will ihn für die Unterhaltungsshow «Big Boss», wo Calmund in elf Sendungen aus zwölf Kandidaten eine junge Führungskraft aussuchen soll. Er sagt zu, nebenbei schließt er «dicke Werbeverträge» mit großen Unternehmen ab und wird als Botschafter für die WM 2006 in Deutschland engagiert. «Ich habe mit all diesen Dingen dann auf einmal in zwei Jahren das verdient, wofür ich fünf Jahre in der Bundesliga hätte arbeiten müssen», erzählt er. «Dat war schon gigantisch.»

Es ist aber nicht nur das Geld, das ihm den Abschied vom Fußball erleichtert. «Mit Big Boss war er auf einmal in einer Parallelwelt», erinnert sich seine Ehefrau Sylvia. «Er war dann drei Monate erst mal weg. Das hat ihn dermaßen stark eingenommen, dass er überhaupt keine Zeit hatte, an Fußball zu denken.» Calmund geht im Unterhaltungsgeschäft auf, er entdeckt eine neue Leidenschaft. «Er war der Öffentlichkeit ja vorher als Strippenzieher im Fußball bekannt. Durch Big Boss entstand dann so ein bisschen das Bild von ihm als Manager eines Wirtschaftsunternehmens», meint Sylvia.

Neue Karriere begann

Jedenfalls beginnt ab diesem Zeitpunkt eine neue Karriere im Leben von Reiner Calmund. Er wird in Koch- und Talkshows eingeladen, 2009 wird sogar eine «Abspeck-Doku» von ihm und dem Musiker Joey Kelly ausgestrahlt. Bis heute findet Calmund auf den verschiedensten Kanälen statt. Er wechselt praktisch von einem Unterhaltungsbusiness ins andere. Zurück ins Showgeschäft Bundesliga geht es für ihn jedoch nie mehr.

Trotzdem kommen zu seiner Geburtstagsfeier am Sonntag im Kölner Dorint Hotel etliche Wegbegleiter aus vielen Jahren im Fußball. Weil Calmund im Hintergrund der Bundesliga trotz allem immer noch irgendwie mitgemischt hat. «Der Fußball hat auch nach 2004 immer eine große Rolle in meinem Leben gespielt», sagt er. Und das wird sich auch nach seinem 75. Geburtstag nicht mehr ändern.

Von Nils Bastek, dpa
Folge uns

Von