Jesse Marsch wechselte in diesem Sommer von RB Salzburg zu RB Leipzig. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Uwe Anspach/dpa)

Jesse Marsch musste im Prinzip nur er selbst sein, um schon vor dem ersten Training bei RB Leipzig seinen Vorgänger Julian Nagelsmann in den Schatten zu stellen.

Nach den gefühlskalten letzten Wochen unter dem jetzigen Bayern-Coach sehnte man sich nach der herzlichen Art des US-Amerikaners, der irgendwann Titel gewinnen, zuallererst aber vor allem eines soll: Den Leipzigern ihren Fußball zurückgeben.

Mainz coronageschwächt

«Wir wollen zurück zu Intensität, zu Pressung und Gegenpressing, einige Dinge gegen den Ball verändern», sagte Marsch der «Süddeutschen Zeitung» vor seinem Cheftrainer-Debüt in der Bundesliga am Sonntag beim 1. FSV Mainz 05. Es wird natürlich kein normales Spiel, was weniger an Marsch, sondern vielmehr an den durch zehn Ausfälle coronageschwächten Mainzern liegt. «Wichtig ist für mich, dass die Gruppe bereit ist für eine gute Leistung und genau versteht, wer der Gegner ist.»

Bereits in Mainz wird wieder viel von der Spielphilosophie zu sehen sein, die einst Ralf Rangnick in Leipzig etablierte. Unter Nagelsmann hatte RB diesen Weg verlassen, worüber trotz aller Erfolge und einer durchaus ansehnlichen Spielidee letztlich nicht jeder am Cottaweg glücklich war. Marsch soll nun ein Best-of-Nagelsmann mit einem Best-of-RB kombinieren und damit das erreichen, was er zuletzt mit Schwesterclub Salzburg getan hat: Meister werden.

Das Potenzial dafür ist durchaus vorhanden. «Die beste erste Elf hat der FC Bayern. Den besten Kader hat RB Leipzig», befand selbst Lothar Matthäus in der «Sport Bild». Natürlich muss sich erst zeigen, wie Leipzig die Abgänge seiner Innenverteidiger Dayot Upamecano (Bayern) und Ibrahima Konaté (Liverpool) sowie den sich anbahnenden Wechsel von Kapitän Marcel Sabitzer verkraftet. Doch gewinnt man in Mainz, hat man schon einmal zwei Punkte mehr auf dem Konto als Meister Bayern.

Team mag Marschs Art

Marsch hat es bereits in den wenigen Wochen der Vorbereitung geschafft, die Mannschaft mitzureißen. «Es gab noch keinen Trainer, der so viel Nähe zugelassen hat. Er sagt zu uns ‚Jungs, eure Probleme sind meine Probleme’», sagte Abwehrchef Willi Orban in der «Leipziger Volkszeitung» über Marsch, der in der Saison 2018/19 bereits Co-Trainer in Leipzig war. Das gebe ein unheimlich gutes Gefühl. «Für so einen Trainer geht man durchs Feuer.»

Diese Nähe ist ein zentraler Baustein in Marschs Philosophie. Und der 47-Jährige lässt sie nicht nur innerhalb der Mannschaft zu. Er sucht im Gegensatz zu Nagelsmann eine tiefe Verbindung zu Leipzig und der Region. «Ich war in der Lutherstadt Wittenberg, und ich habe eine Menge über die Befreiung Leipzigs durch die Alliierten gelesen oder über die Rolle der Leipziger Montagsdemonstrationen beim Mauerfall», berichtete Marsch. «Und mich faszinieren diese Plattenbauten, übersät mit Graffitis. Sie sind für mich als Amerikaner ein Zeitdokument, ich zeige sie gern Besuchern.»

Zunächst ist der Mann aus der Arbeiterstadt Racine in Wisconsin für zwei Jahre an Leipzig gebunden. Der Plan ist allerdings, Marsch länger als nur eine nagelsmannsche Periode zu halten. Die volle Rückendeckung genießt der Princeton-Absolvent ohnehin, schließlich wurde er einst von Rangnick und dem RB-Vorstandsboss Oliver Mintzlaff persönlich ausgesucht. Und Mintzlaff hat seinen Vertrag gerade erst verlängert, ist bis mindestens 2026 in Leipzig.

Von Tom Bachmann, dpa
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