Leverkusens Nadiem Amiri ist der Frust nach dem Spiel anzusehen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd Thissen/dpa)

«Ekelhaft», «Frechheit», «Schande»: Ihrem Ärger über die römischen Spielverderber von Star-Trainer José Mourinho machten Spieler und Verantwortliche von Bayer Leverkusen nach dem verpassten Endspiel-Einzug wortgewaltig Luft.

Es war dabei gar nicht mal die destruktive Spielweise der AS Rom beim 0:0 im Halbfinal-Rückspiel der Europa League, die bei Bayer alle verärgerte. Sondern die aufreizende und provokante Art, über Schauspiel-Einlagen bei vermeintlichen Verletzungen Zeit zu schinden.

Statt acht hätte man locker 20 Minuten nachspielen lassen müssen, schimpfte der normalerweise eher diplomatische Sportchef Simon Rolfes: «Ansonsten lässt der Schiedsrichter sich verarschen, wenn er das mit sich machen lässt.» Der Ex-Nationalspieler ärgerte sich, «dass nach jedem Torschuss ein Römer fast mit der Trage runtergetragen werden musste, so schwer waren die ja verletzt». Und er sagte gar: «Ich glaube, dass alle, die heute im Stadion waren, Sevilla alles Gute fürs Finale wünschen.»

«Das ist Mourinho-Fußball»

Rekordsieger FC Sevilla ist im Endspiel am 31. Mai in Budapest Gegner der Römer. Auch Bayer-Kapitän Lukas Hradecky versicherte, er werde nach den Erlebnissen vom Donnerstag dabei «fest an der Seite» der Spanier stehen. «Die Nettospielzeit waren vielleicht 25 oder 30 Minuten, das ist eine Schande», sagte der Torhüter: «Okay, das ist Mourinho-Fußball. Aber das ist schwer zu akzeptieren.»

Das war es auch für Nadiem Amiri. Die Römer seien eine Mannschaft, «die mit Fußball nix tun hat», erklärte der Offensivspieler: «Was die heute gespielt haben und auch schon in Rom, das war wirklich eine Frechheit. Bei jeder Aktion fallen sie hin, jeden Ball schießen die lang. Das ist kein Fußball. Dass so eine Mannschaft im Finale ist, ist Wahnsinn.» Und Kerem Demirbay konstatierte: «Es ist schade, dass so eine Spielweise auf so einem Niveau im Halbfinale belohnt wird. Das ist schon sehr, sehr bitter für den Fußball. Sie haben es am Ende sehr ekelhaft gemacht, das muss man so auf den Punkt bringen.»

«The Special One» Mourinho ärgerten diese Aussage allesamt nicht. Man hatte eher das Gefühl, sie bereiteten ihm eine ähnlich diebische Freude wie das vergebliche Anrennen der Leverkusener, die trotz 23:1 Torschüssen das 0:1 aus dem Hinspiel nicht wettmachen konnten. «Ich denke, es ist die alte Geschichte: Das Team, das verliert, sieht es immer als Entschuldigung. Aber umgekehrt würden sie immer das Gleiche machen», sagte der Portugiese, der im Falle eines sechsten Titels in seinem sechsten Europacup-Finale zum alleinigen Rekordtrainer aufsteigen könnte. Und dann lobte er demonstrativ und genüsslich Schiedsrichter Slavko Vincic aus Slowenien. «Das war ein fast schon episches Spiel gegen einen guten Gegner mit einem tollen Schiedsrichter», sagte er: «Ohne solch einen Schiedsrichter hätte das Spiel chaotisch werden können.»

Bayer droht eine Saison ohne Eurooacup-Teilnahme

Doch auch die drei Ex-Nationalspieler als Experten bei RTL ärgerten sich über das Auftreten der Römer. «Das ist natürlich keine schöne Art, in ein Finale einzuziehen. Für den Fußball war es schade», sagte Karl-Heinz Riedle, der einst für Lazio Rom stürmte: «Lothar und ich haben auch in Italien gespielt. Da hat man mal provoziert, aber das hier war absolut über Maß.» Das bestätigte Lothar Matthäus: «Rom war nur auf das eine aus: Verzögerungen, Unterbrechungen und ihre Defensivleistung. Das war kein schöner Fußball.» Und Steffen Freund erklärte: «Es ist die Art und Weise, die einen zermürbt und verrückt macht. Das ist wirklich aber so was von an der Grenze.»

Bei Bayer vergaßen sie aber auch nicht, nach zwei Spielen ohne Tor Selbstkritik zu üben. «Wir müssen einfach abgewichster und erwachsener werden», sagte Amiri. Und das am besten schon in den letzten beiden Bundesliga-Spielen. Denn sonst droht Bayer ausgerechnet nach dieser emotionalen Europacup-Reise ins Halbfinale eine Saison ohne Europacup-Teilnahme. Und das gab es in den vergangenen zwölf Jahren nur einmal.

Trainer Xabi Alonso wirkte am Freitagmittag innerlich schon sehr aufgeräumt und richtete den Blick direkt nach vorn. «Gestern konnten wir ein bisschen weinen. Heute müssen wir uns erholen. Morgen müssen wir uns vorbereiten auf Sonntag», sagte er: «Wir wollen auch nächstes Jahr in Europa spielen, um Nächte wie gestern erleben zu können. Aber wenn wir diese Chance wieder bekommen wollen, müssen wir noch einiges an Arbeit leisten.»

Von Holger Schmidt und Ann-Marie Utz, dpa
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