Bereit jeden Spieltag ans Limit zu gehen: Die Spieler von Union Berlin bejubeln einen Treffer gegen den FSV Mainz 05. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Andreas Gora/dpa)

Um den Schlaf von Trainer Urs Fischer muss sich niemand sorgen, egal, wie hoch es für den 1. FC Union Berlin in dieser Saison noch hinaus geht.

«Ich schlafe immer gut, wirklich. Sei es nach Niederlagen oder Siegen. Das ist eine Qualität, das muss ich schon sagen. Ich brauche noch keine Medikamente. Ich finde meinen Schlaf», sagte der 56-Jährige mit einem Lächeln auf die Frage, ob er als Tabellenführer anders schlafe. Die Köpenicker hatten sich mit ihrem 2:1 gegen den FSV Mainz 05 am Samstagabend zumindest vorübergehend wieder an die Tabellenspitze der Bundesliga gesetzt. Serienmeister FC Bayern München zog am Sonntagabend mit dem 4:2 in Wolfsburg wieder vorbei.

Trimmel: «Wir genießen den Moment»

«Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey» und «Zieht den Bayern die Lederhosen aus», sang der Berliner Anhang von den Rängen, und auch Unions Kapitän Christopher Trimmel hatte Spaß daran. «Natürlich habe ich mitgesungen, da ist auch ein bisschen Ironie dabei, aber wir genießen den Moment», sagte der Österreicher bei Sky. Das Kokettieren mit den Ambitionen geht in Köpenick weiter, denn offiziell spielt der Club noch um den Klassenerhalt mit dem Ziel von 40 Punkten.

«Ich glaube, das ist noch ein sehr langer Weg, und es gibt viele gute Mannschaften, die den Anspruch haben Meister zu werden, den haben wir noch nicht», sagte Trimmel über mögliche Titel-Ambitionen. «Wir möchten natürlich so lange wie möglich oben bleiben, aber von der Meisterschaft sprechen wir nicht.» Die Konkurrenz unterschätzt die Berliner nicht mehr. «Ich glaube, dass man Union alles zutrauen muss im Moment», sagte der Mainzer Sportdirektor Martin Schmidt.

Fischer wiederholte unterdessen sein Mantra, dass ihn die Tabelle nach dem 34. Spieltag interessiere und nicht die nach 19. Doch mit jedem Erfolg werden die Eisernen zu einem ernsthafteren Titelkandidaten. Alle fünf Pflichtspiele hat Union in diesem Jahr gewonnen. 39 Punkte stehen nach 19 Partien zu Buche. Das sei «eigentlich ein Wahnsinn», sagte der Trainer.

Die Mannschaft ist immer gewillt ans Limit zu gehen

Das Kokettieren sollte nicht über den großen Ehrgeiz im Club hinwegtäuschen – von Präsident Dirk Zingler über Geschäftsführer Oliver Ruhnert zu Fischer und dem Team. «Die Mannschaft ist gewillt, an jedem Spieltag ans Limit zu gehen», sagte der Schweizer. Auch im Training wolle sie sich ständig verbessern.

Die Unioner haben in dieser Saison einen weiteren Entwicklungssprung gemacht. Nach Rückständen schlagen sie oft umgehend zurück – was bis vor Kurzem noch als eine Schwäche galt. Das Ballbesitzspiel hat sich weiterentwickelt, auch wenn es noch ausbaufähig ist. Gegen Hoffenheim und Mönchengladbach etwa gab es sehr dominante Phasen mit vielen Chancen und Ballbesitz. Dazu kommt die Breite im Kader. Am Siegtor von Stürmer Jordan Siebatcheu waren drei Einwechselspieler beteiligt. «Man hat heute auch die Bank gesehen, die sie haben», sagte Schmidt.

Zu Hause in der Alten Försterei ist Union eine Macht, seit 15 Ligaspielen ungeschlagen. Wie lange die Berliner um den Titel und die Champions League mitspielen, wird sich aber auch in den anstehenden Auswärts-Aufgaben entscheiden. Am kommenden Samstag geht es zum Topspiel bei RB Leipzig (18.30 Uhr/Sky). Auch nach Dortmund und München müssen die Eisernen noch. Die Bilanz bei diesen drei Gegnern ist seit dem Aufstieg 2019 nicht rosig: vier Punkte und nur ein Sieg in neun Spielen.

Die Ambivalenz zwischen dem nach wie vor offiziellen Saisonziel und dem tatsächlichen Erfolg haben in Köpenick aber nicht nur Trainer und Mannschaft verinnerlicht. «Das Heft zur Tabellenführung!», rief ein Verteiler des Stadionheftes vor der Partie gegen Mainz. «Noch vier Punkte bis zum Klassenerhalt!». Jetzt ist es noch einer. Dann soll ein neues Saisonziel ausgerufen werden.

David Langenbein, dpa
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