Als sich die deutschen Fußballerinnen zum Abschlusstraining vor dem Schlager gegen Spanien aufmachten, da winkte ihnen Torjägerin Lea Schüller mit sicherem Abstand von ihrem Balkon aus zu.
Dass es eine Spielerin aus ihrem Team während der Europameisterschaft in England mit einem positiven Corona-Test erwischt und sie isoliert werden muss, hat Martina Voss-Tecklenburg nicht wirklich überrascht. Ihrem Ärger über die geringe Kadergröße bei diesem Turnier und auch die fehlende Möglichkeit einer Nachnominierung aber machte die Bundestrainerin Luft.
«Ich möchte den Moment jetzt auch wirklich nutzen, den Finger da ein bisschen in die Wunde zu legen. Wir haben vorher die UEFA gebeten, darüber nachzudenken, ob wir 26 Spielerinnen mitnehmen dürfen. Das ist nicht gewährleistet worden, obwohl es die Männer bei der WM machen können», sagte Voss-Tecklenburg.
DFB hatte Zulassung 26er-Kaders angeregt
Der Deutsche Fußball-Bund hatte schon im vergangenen Winter angesichts der pandemischen Lage einen Vorstoß bei der Europäischen Fußball-Union gestartet, um bei der EM die Zulassung eines 26er- statt 23er-Kaders zu erwirken – ohne Erfolg.
Kurioserweise ist das beim Weltverband und der Männer-WM in Katar anders geregelt. Die FIFA genehmigte im Juni für das Turnier vom 21. November bis 18. Dezember eine Aufstockung der Kader – auch wegen der Corona-Situation. Statt 35 dürfen bis zu 55 Spieler auf die vorläufige Nominierungsliste gesetzt werden. Für die definitive Liste gilt neu ein Minimum von 23 Profis und ein Maximum von 26.
Auch bei der Männer-EM im vergangenen Jahr durften die Teams 26 Spieler nominieren. Die UEFA habe die Entscheidungen für die Frauen getroffen, als sich die Corona-Lage in Europa gebessert hatte, sagte ein Sprecher des Dachverbandes der Deutschen Presse-Agentur. «Und noch wichtiger angesichts des Fakts, dass die Saison 2021/2022 anders als die 2020/2021 eine normale Spielzeit nach dem Kalender war.»
«Wir haben auch den Einsatz der Spieler bei der (Männer-)EM im vergangenen Jahr analysiert. Trotz der höheren Anzahl von Mannschaften und einer zusätzlichen Spielrunde haben nur zwei Teams mehr als 23 Spieler eingesetzt», sagte der UEFA-Sprecher weiter.
Voss-Tecklenburg: «Das widerspricht mir als Sportlerin»
Bei der Frauen-EM sind auch nach dem ersten Spiel keine Nachnominierungen erlaubt. Ausnahmen sind Torhüterinnen. «Das entspricht nicht meinem persönlichen Fairplay-Gedanken», sagte Voss-Tecklenburg. «Das widerspricht mir als Sportlerin und ich bitte die UEFA darum, das für zukünftige Turniere zu überdenken.» Es gibt auch andere Teams mit vereinzelten Corona-Fällen bei der EM.
Bei den DFB-Frauen hatte es schon in der Vorbereitung in Herzogenaurach Kapitänin Alexandra Popp erwischt. Voss-Tecklenburg schilderte ausführlich, wie sensibel die deutsche Delegation mit Corona-Maßnahmen umgehe. «Wir wissen auch, dass wir wie viele andere Teams eben kein exklusives Hotel haben. Wir wissen, dass wir in öffentlichen Bereichen unterwegs sind und natürlich war uns klar, dass wir nur eingeschränkt eine Blase aufrechterhalten können.»
Der Rekord-Europameister wohnt in einem separaten Flügel eines Hotels in Brentford, hat die Unterkunft aber nicht komplett für sich. Während die deutschen Spielerinnen nach Angaben Voss-Tecklenburgs in geschlossenen Räumen – außer beim Essen – immer einen Mundschutz tragen und dies auch durchgehend während der achtstündigen Anreise aus Deutschland taten, treffen sie bei der EM auf ein ganz anderes Bild: In Großbritannien gilt keine Maskenpflicht mehr.
Im öffentlichen Nahverkehr wird zwar dazu aufgerufen, aber nur noch wenige Menschen halten sich daran. Selbst zur Rush Hour in der U-Bahn sieht man nur wenige Fahrgäste damit, bei den Fans in den Stadien sowieso nicht. «Gefühlt gibt es hier kein Covid mehr», sagte Voss-Tecklenburg.