Auf dem Weg zur Weltmeisterschaft müssen sich die deutschen Vize-Europameisterinnen erst wieder finden.
Das 1:2 im Testspiel gegen Brasilien 100 Tage vor dem Turnieranpfiff in Australien und Neuseeland hat die deutschen Fußballerinnen und Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg ziemlich nachdenklich gemacht. «Uns ist weiterhin bewusst, was wir können. Das müssen wir einfach wieder auf den Platz bekommen. Es ist einfach gerade ein bisschen der Wurm drin», sagte Kapitänin Alexandra Popp vor der Abreise aus Nürnberg.
Viel Zeit zur Aufarbeitung bleibt den DFB-Frauen nicht: Bereits am Samstag treffen die Nationalspielerinnen des FC Bayern München und des VfL Wolfsburg im Halbfinale des DFB-Pokals aufeinander. Und für die deutschen Meisterinnen aus Niedersachsen steht am Sonntag darauf der Champions-League-Kracher gegen Arsenal WFC an. Erst am 20. Juni zum ersten von zwei WM-Vorbereitungen in Herzogenaurach mit zwei Heim-Länderspielen gegen noch ungenannte Gegner hat Voss-Tecklenburg ihr Team wieder beieinander.
«Es ist nicht richtig, sich grundsätzlich Sorgen zu machen», betonte die 55-Jährige. Und doch fühlte sich so manche Spielerin an das vergangene Jahr erinnert: Da ging die deutsche Auswahl im Februar sieglos aus dem Arnold Clark Cup in England hervor und verpatzte im April überraschend das WM-Qualifikationsspiel in Serbien. Wie schmerzhaft und mühevoll der Prozess danach war, ehe sich das Team zum EM-Höhenflug aufschwang, zeigte im Nachhinein auch die ARD-Dokumentation «Born for this – mehr als Fußball». Da krachte es auch schon mal zwischen Mannschaft und Bundestrainerin, bis alle zusammenfanden.
«Wir sind gewarnt»
«Wir sind gewarnt, dass wir Spiele auf dem Niveau nicht mit 80, 90 Prozent gewinnen», sagte Voss-Tecklenburg. Zumal das Ergebnis ähnlich schmeichelhaft war wie bei den beiden anderen Härtetests in diesem Jahr gegen Schweden (0:0) und in den Niederlanden (1:0). Die Trainerin wollte sich jedoch nicht von Emotionen hinreißen lassen und die Aufzeichnung des lehrreichen Auftritts gegen die Südamerikameisterinnen erst einmal in Ruhe anschauen.
«Wir gehen da nicht mit dem allerbesten Gefühl raus. Angst haben, Fehler zu machen, das darf nicht sein», mahnte die Münchnerin Sydney Lohmann, noch eine der Besten auf dem Platz, und ergänzte: «Wir sind Deutschland, wir sind Vize-Europameister – mit dem Selbstbewusstsein sollten wir auch auftreten.» Die fehlende Passgenauigkeit, das oft mangelhafte Zweikampfverhalten und die wenigen Offensivaktionen sprachen quasi alle an. Brasilien habe auch gezeigt, so Lohmann, «mit was für einer Härte wir rechnen können bei der WM. Das ist internationale Härte.»
Klartext sprach Lena Oberdorf, die als Abräumerin im Mittelfeld vor 32.587 Zuschauern kaum mit der Arbeit hinterherkam. «Wenn wir so spielen, kommen wir bei der WM nicht weit», warnte die Wolfsburgerin. Dabei hing im Max-Morlock-Stadion ein vielversprechendes rotes Spruchband quer über der Gegentribüne: «Ein neues Ziel – eine große Chance – auf zur WM 2023 nach Australien.» Bei der WM könnte das deutsche Team bereits im Achtelfinale Brasilien wiedersehen. In der Vorrunde geht es gegen Marokko, Kolumbien und Südkorea.
«Wir werden jetzt natürlich mit einer nicht ganz so guten Laune nach Hause fahren», sagte Popp, die sich zu allem Übel noch eine Fußverletzung zuzog. Aber: «Ich habe aus dem letzten Jahr noch die Erinnerung an das blöde Abschlussspiel. Von daher sehe ich das positiv Richtung Weltmeisterschaft.» Von einem Denkzettel wollte der EM-Star dann doch nichts wissen: «Das ist mir ein bisschen zu viel. Bewusst ist uns schon, dass es mit der Art und Weise, wie wir heute gespielt haben, so bei der WM nicht reichen wird. Aber wir haben ja noch ein bisschen Zeit.»