UEFA-Chef Aleksander Ceferin spricht auf dem UEFA-Kongress in Wien. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Hans Punz/APA/dpa)

Andrej Pawelko stand unmittelbar vor einem Bombenkrater. Der Präsident des ukrainischen Verbandes trug eine Schutzweste, als er sich am Mittwoch in einem wackeligen Live-Video aus einem zerstörten Stadion in Tschernihiw meldete.

«Die ukrainische Fußballgemeinschaft rettet Menschenleben, rettet das Leben von Kindern», übermittelte der 46-Jährige an die Delegierten des UEFA-Kongresses in Wien. Im Konferenzsaal der Messe von Österreichs Hauptstadt war es still. Der Umgang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine bleibt für den Fußball eine Gratwanderung.

Der europäische Dachverband hatte russische Vereine von allen Wettbewerben ausgeschlossen und auch das Champions-League-Finale aus St. Petersburg nach Paris verlegt – der russische Verband bleibt aber vorerst Teil der UEFA. In Wien war Alexander Alajew, der junge Generalsekretär der RFU, vor Ort. Äußern wollte er sich nicht.

Keine Aussagen zu weiteren Sanktionen

UEFA-Präsident Aleksander Ceferin vermied eindeutige Aussagen zu weiteren Sanktionen gegen die RFU, es sei «verfrüht», darüber zu reden. «Ich würde nichts ausschließen, aber ich würde auch nicht sagen, dass es in Zukunft passieren wird», sagte der Slowene am Mittag während der Pressekonferenz. «Wir hoffen, dass dieser Wahnsinn, so schnell es geht, endet.» Gegen einen Generalverdacht, die Funktionäre stünden automatisch nah an Russlands Präsidenten Wladimir Putin, wehrte sich Ceferin.

«Der Fußball ist zweifellos der Verlierer. Einer der Verlierer, da wir Spielern, Trainern und Fans, die mit der aktuellen Situation nichts zu tun haben, ihre Leidenschaft und ihre Träume nehmen», sagte der UEFA-Präsident während seiner Kongress-Rede, in der er andere Punkte anführte, bei denen der Fußball immer gewann. «Aber wenn die UEFA beispiellose Sanktionen verhängt, versucht der Fußball, seinen winzigen Beitrag für die Gesellschaft und die Politiker Europas zu leisten, die sich für den Frieden einsetzen.»

Dann meldete sich Pawelko live. Trotz Tonproblemen konnte der 46-Jährige aus der skurril anmutenden Szenerie unter strahlend blauem Himmel im zerbombten Stadion seine Botschaft überbringen. «Hinter mir sehen sie das Stadion, das getroffen wurde. Sie sehen, dass das Spielfeld vollständig zerstört wurde. Wir wurden bombardiert, auch heute in der Region, hier sind Bomben eingeschlagen», sagte der Verbandschef in dem nordukrainischen Gebiet.

Ukraine siegt bei Benefizspiel

Er habe nicht das «moralische Recht», die Ukraine zu verlassen und zum UEFA-Kongress nach Wien zu reisen, sagte Pawelko der Übersetzung des Dachverbandes zufolge. «Aber ich bin mir sicher, dass wir beim nächsten Kongress gemeinsam wichtige Dinge besprechen werden.»

Wenige Stunden nach dem eindrücklichen Auftritt Pawelkos setzten die ukrainische Nationalmannschaft und Borussia Mönchengladbach in einem Benefizspiel ein emotionales sportliches Zeichen für den Frieden. Solidarität und konkrete Hilfe standen dabei im Mittelpunkt. Die meisten der 20.223 Zuschauer sangen und klatschten beim 2:1 (1:1) der Ukraine im Borussia-Park für beide Teams. Unter den Fans waren zahlreiche Ukrainer, die umsonst dabei sein durften. Für die Nationalmannschaft war es die erste Partie seit Beginn der russischen Invasion.

Das Spiel soll der Ukraine auf zwei Ebenen helfen. Der komplette Geldgewinn kommt Menschen zugute, die unter dem Krieg leiden. Aber auch sportlich hatte die Begegnung Bedeutung.

Nationalspieler, die vor dem Krieg in ihrem Heimatland gespielt haben, fehlt die Wettkampfpraxis. Die Auswahl soll am 1. Juni das Halbfinale der WM-Playoffs in Schottland bestreiten. Gewinnt die Ukraine die Begegnung, spielt sie vier Tage später gegen Wales um die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Katar. «Es ist sehr wichtig für unsere Nationalmannschaft und für unser Land, dass wir es auch schaffen», sagte der frühere Bundesliga-Profi Andrej Woronin am Stadionmikrofon.

Von Jan Mies, dpa
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