Der kürzeste Weg zu einem Titel im deutschen Profifußball beginnt traditionell mit einer fiesen Stolperfalle.
Wenn die neuen Trainer Julian Nagelsmann und Marco Rose mit dem FC Bayern respektive Borussia Dortmund an diesem Wochenende bei kleineren Clubs ihr erstes Pflichtspiel bestreiten, haben sie im DFB-Pokal zunächst nichts zu gewinnen – aber eine Menge zu verlieren. Titelverteidiger Dortmund und Dauermeister Bayern sind unbestritten die Topfavoriten in einem Wettbewerb, der für fast alle anderen Clubs die einzige Chance auf «etwas Blechernes» ist, wie Nagelsmann den Anspruch bei seinem Ex-Club RB Leipzig forsch formuliert hatte.
Herausforderung nach Mega-Sommer
Nach einem pickepackevollen Sommer mit EM, Copa America, Gold Cup und olympischem Fußballturnier, das erst am Samstag beendet wird, steht den Spitzenclubs eine große Herausforderung bevor. Die Nationalspieler sind nach einer Corona-Saison ohne Pause direkt in die internationalen Turniere gehetzt, hatten kaum Pause und starten nun ohne große Vorbereitungszeit in die nächste Terminhatz. «Wir haben jetzt nicht ewig Zeit, Dinge einzustudieren oder neue Dinge zu machen. Wir werden uns über den Liga-Alltag entwickeln müssen», sagte Nagelsmann.
Der 34 Jahre alte, enorm ehrgeizige Trainer kennt die Erwartungshaltung beim FC Bayern und weiß, dass nach dem blamablen Pokal-Aus der Bayern in Kiel in der Vorsaison nicht weniger als die Ablösung von Titelverteidiger BVB erwartet wird. Das Spiel bei Oberligist Bremer SV am Freitagabend (20.45 Uhr/Sky und Sport1) ist für den auf fünf Jahre gebundenen Chefcoach der erste Mini-Schritt auf dem Weg zu ganz großen Zielen.
Nagelsmann will endlich einen Titel
«Wohlig und warm» werde es für ihn erst, «wenn ich Titel gewinne. Erst dann bin ich wirklich beim FC Bayern angekommen. Bis es so weit ist, ist es ein unvollendetes Gefühl», sagte Nagelsmann im Mitgliedermagazin «51». Die Vorbereitung verlief holprig und ohne eigenen Sieg, endete gar mit einem 0:3 gegen den SSC Neapel. «Was soll ich jetzt nach einem Vorbereitungsspiel hier einen Zampano machen? Es wird alles gut werden», versprach Nagelsmann. Großen Druck verspürt nach Dortmunds starkem Finish unter Vorgänger Edin Terzic auch Rose, der am Samstagabend (20.45 Uhr/Sky) beim SV Wehen Wiesbaden debütiert.
Daneben wird es auch für die neuen Trainer Jesse Marsch mit Leipzig, Mark van Bommel mit Wolfsburg, Gerardo Seoane mit Leverkusen, Frankfurts Oliver Glasner sowie Adi Hütter mit Mönchengladbach direkt ernst. Die Einnahmen für weitere Pokalrunden sind in den von Corona gebeutelten Geldbeuteln fest eingeplant, eine Pleite bei einem Fußball-Underdog indes würde den mit vielen Hoffnungen versehenen neuen Amtsinhabern direkt den Start sehr erschweren. Frankfurt (bei Waldhof Mannheim) und Gladbach (auf dem Betzenberg in Kaiserslautern) haben dabei alles andere als dankbare Aufgaben zum Auftakt erwischt.
Corona spielt weiter mit
Knapp eineinhalb Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie soll für die Amateure auch ein Stück Normalität zurückkehren. Anders als in der Vorsaison untersagte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) diesmal den Heimrechttausch, den zum Beispiel der Bremer SV den Bayern und dem Verband vorgeschlagen hatte.
Stattdessen soll es ein bisschen werden wie früher: Die Kleinen gegen die Großen im Stadion des Außenseiters, eine eingeschränkte Anzahl an Fans auf den Rängen und die Chance auf Momente, bei denen nach 90 oder 120 Minuten ein unerwarteter Sieger gekürt wird. Einen solchen Moment hatte es zuletzt im Januar gegeben, als Titelverteidiger Bayern im Schneeregen von Kiel nach Elfmeterschießen denkwürdig ausschied.
Erledigt ist das Corona-Thema aber längst nicht, das bewies gerade der Dienstag. Ein Spieler des Bremer SV wurde positiv auf das Virus getestet, wie der Sportliche Leiter Ralf Voigt der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. «Wir haben daraufhin am Dienstagfrüh weitere PCR-Tests bei allen Spielern, Trainern und Betreuern durchgeführt. Wir sind in enger Abstimmung mit dem Gesundheitsamt und dem DFB und warten jetzt auf die Ergebnisse», sagte Voigt.
Abgesehen von den jüngsten Vorkommnissen ist die Vorfreude des Amateurclubs auf die einmalige Chance riesig. «Es ist tatsächlich einfach geil. Megageil», kommentierte Trainer Benjamin Eta das große Los. Bayern-Coach Nagelsmann, für den die Partie in Bremen nur eine Pflichterfüllung darstellt, sei sein «absoluter Lieblingstrainer», sagte Eta voller Begeisterung.