Robert Lewandowski konnte sich beim nächtlichen Kabinenbesuch nur in die Schar der Gratulanten für diese Münchner Machtdemonstration einreihen.
Im Gegensatz zum frustrierten Weltfußballer schlenderten die Bayern-Stars um Leader Matthijs de Ligt nach dem vorzeitig zementierten Gruppensieg fröhlich zum Mannschaftsbus und sprachen sogar schon von einem neuen Coup in Europa. «Wir versuchen, die Champions League zu gewinnen», sagte Trainer Julian Nagelsmann. «Das war der erste Schritt, aber es müssen noch viele Schritte folgen, um am Ende der Saison den Titel zu haben.»
Das beeindruckend souveräne 3:0 in bester Mia-san-Mia-Manier gegen den stolzen und zum zweiten Mal nacheinander in die Europa League abgestiegenen FC Barcelona soll nun die Benchmark für die großen Ziele des dreimaligen Champions-League-Siegers sein. «Wenn wir diese Intensität gepaart mit unserer Qualität auf den Platz bringen, dann haben wir eine Chance», sagte Sportvorstand Hasan Salihamidzic.
De Ligt brilliert
Im Camp Nou dokumentierten Sadio Mané, Eric Maxim Choupo-Moting und Benjamin Pavard angetrieben vom dreimaligen Vorbereiter Serge Gnabry mit ihren Toren nicht nur die offensive Klasse des Serien-Gruppensiegers. Noch mehr beeindruckte nach einer rätselhaften Schwächephase vor wenigen Wochen die Vorstellung in der Defensive, die der 23 Jahre alten Abwehrchef de Ligt perfekt organisierte. «Mit 15 Punkten aus 5 Spielen haben wir das sehr gut gemacht», sagte der Niederländer, der zumindest gemessen an der Ablöse von rund 70 Millionen Euro der Königstransfer im Sommer war. Durch die starke Abwehr fiel das Fehlen des immer noch verletzten Nationaltorhüters Manuel Neuer nicht weiter auf.
Bei den Triumphen 2013 und 2020 war die defensive Stabilität der Bayern ein wesentlicher Erfolgsfaktor. «Die Leistung war sehr erwachsen, sehr souverän», sagte Nagelsmann, der als einziger Trainer in der Königsklasse vier Siege gegen den ruhmreichen FC Barcelona feiern konnte. «Was die Galligkeit angeht, hat meine Mannschaft ein herausragend gutes Spiel gemacht.» Vier Gruppenspiele ohne Gegentor belegen die Defensivqualität in Zahlen.
Der Weg des Tabellenzweiten der Bundesliga, der mit der Landung am frühen Donnerstagnachmittag in München gleich die Jagd auf Spitzenreiter 1. FC Union Berlin ins Visier nahm, ist ins Finale am 10. Juni 2023 noch weit. Nächste wichtige Etappe ist das Achtelfinale im Februar und März, in dem die Münchner das Heimrecht im Rückspiel haben. Ausgelost wird die erste K.o.-Runde in der Beletage des europäischen Fußballs am 7. November in Nyon.
Gruppensieg als «Zeichen»
«Was der Gruppensieg am Ende bedeutet, werden wir bei der Auslosung sehen», sagte Nagelsmann. Grundsätzlich aber seien die Gruppensieger die besseren Teams der Vorrunde gewesen. «Demnach ist es wichtig als Zeichen nach drinnen und draußen», sagte der 35-Jährige. Kracher wie Topfavorit Manchester City oder der FC Chelsea drohen nicht, aber trotz einiger Glückslose wäre aber ein Duell mit dem FC Liverpool möglich.
Der aus München nach Barcelona gewechselte Lewandowski kann sich das nur im Fernsehen anschauen. Im zweiten Jahr nacheinander bekam der hochverschuldete Club, der die Trendwende mit einem über 150 Millionen Euro teuren Transfersommer einleiten wollte, einen Klassenunterschied im Vergleich zum FC Bayern aufgezeigt. In fünf Champions-League-Spielen mit den Katalanen kassierte Lewandowski drei Niederlagen – bei Bayern dauerte das zuletzt 43 Partien, bis es drei Pleiten waren.
«Wenn wir gut spielen, hat jedes Team gegen uns Probleme», sagte Thomas Müller, dem der langjährige Sturmpartner leid tat. «Klar fühlt man mit, weil man weiß, welch ehrgeiziger Sportler Lewy und welch ehrgeiziger Club Barcelona ist.» Vor dem letzten Gruppenspieltag in einer Woche und dem Heimspiel gegen den Tabellenzweiten Inter Mailand steht die Reihenfolge schon fest. Hinter Barça belegt Viktoria Pilsen den letzten Platz des Klassements.
Erneute Nullnummer für Lewandowski
Wie beim 0:2 im Hinspiel erlebte Lewandowski als fünfmaliger Saisontorschütze in Europa eine persönliche Nullnummer – auch wegen de Ligt. «Ich glaube, dass wir sehr schöne Duelle gespielt haben», sagte de Ligt nach seinem wohl besten Spiel im Bayern-Trikot. Dass es den nach einem Zweikampf von ihm und Lewandowski den zunächst verhängten Strafstoß für Barcelona doch nicht gab, ließ den 23-Jährigen durchatmen. Lewandowski schüttelte an einem schwarzen Abend, an dem das Aus schon vor dem Anpfiff feststand, nur genervt den Kopf.
«Wir haben im Moment zwei brillante Innenverteidiger», hob Nagelsmann die Auftritte von de Ligt und Dayot Upamecano hervor. Sven Ulreich, der einmal mehr den vermutlich noch nicht am Wochenende zurückkehrenden Neuer (Prellung am Schultereckgelenk) im Tor vertrat, wurde praktisch nicht geprüft. «Wir haben insgesamt einfach eine andere Konsequenz sowohl vor dem Tor als auch im Verteidigen», hob Leon Goretzka hervor. Lucas Hernández als weiterer Topmann für die Abwehr fehlt immer noch verletzt.
Und vorne geht das persönliche Fußball-Märchen von Choupo-Moting weiter. Der 33-Jährige traf auch gegen Barcelona. «Wir gehen in jede Champions-League-Saison mit dem Ziel, das Ding am Ende zu gewinnen, weil wir die Qualität in der Mannschaft haben», sagte der Angreifer. Als er von Salihamidzic praktisch angewiesen wurde, über seine nächste Tortat zu sprechen. Im Hintergrund stahl sich der deutlich formverbesserte Mané aus dem Kultstadion. «Er hat ein starkes Spiel gemacht», sagte «Choupo». Dass auch noch sein Nachfolger glänzte, passte zum bitteren Abend von Lewandowski.