Jonas Hofmann präsentiert die «One Love»-Binde. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sebastian Gollnow/dpa)

Zwei Monate vor dem ersten WM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Japan reißt die Debatte um die angemessene Haltung gegenüber Turnier-Gastgeber Katar nicht ab.

Im Fokus der Kritik steht dabei aktuell die als Symbol gedachte Kapitänsbinde der DFB-Elf und anderer großer Fußball-Nationen wie England, Frankreich oder den Niederlanden mit einer an die Regenbogenflagge angelehnten Farbgebung. Topstars wie Manuel Neuer, Englands Mittelstürmer Harry Kane oder Frankreichs Weltmeister-Torwart Hugo Lloris wollen sie in Katar als gut sichtbares Zeichen am Oberarm tragen.

Kritik am DFB

«Das wirkt schon schwach. Es ist noch nicht einmal die Pride-Flagge, es sind andere Farben darauf abgebildet. Wenn es das einzige ist, was an Haltung vom DFB kommt, wäre das peinlich bis katastrophal. Ich erwarte vom DFB und denke auch, dass da mehr kommen wird», sagte der Vertreter der Fan-Organisation «Unsere Kurve», Dario Minden, in einem Interview der Zeitung «Der Tagesspiegel».

Minden war durch eine verbale Konfrontation mit dem katarischen Botschafter in Deutschland bei einem DFB-Kongress am vergangenen Montag zum Gesicht der Katar-Kritiker geworden. «Ich habe Sex mit anderen Männern. Das ist normal. Gewöhnen Sie sich daran oder verschwinden Sie aus dem Fußball», hatte Minden auf dem Podium dem Diplomaten gesagt und dafür im Netz viel Lob erhalten.

Die Rechtslage für Angehörige der LGBTIQ*-Community in Katar steht derzeit im Zentrum der Kritik – mehr noch als die bedenkliche Lage für Gastarbeiter. Vertreter der LGBTIQ*-Community raten bislang von einer Reise nach Katar ab. Die englische Abkürzung steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-Menschen, intergeschlechtliche sowie queere Menschen. Das Sternchen ist Platzhalter für weitere Identitäten und Geschlechter.

DFB-Spieler werden Workshops sensibilisiert

Die Nationalspieler werden im Rahmen der aktuellen Länderspiele in der Nations League gegen Ungarn und England praktisch täglich mit dem Thema konfrontiert. Keine leicht zu lösende Situation, wie Hansi Flick konstatierte. «Es ist einfach, immer zu kritisieren, wenn man irgendwo sitzt und nicht die Entscheidung trifft», sagte der Bundestrainer vor der Ungarn-Partie in Leipzig. «Es geht jetzt darum, dass es nicht nur die Regenbogenfarben sind, sondern alle. Es sind alle damit gemeint, jeder Einzelne, der hier sitzt, der auf der Welt ist. Darum geht es, dass wir gleich sind», argumentierte Flick.

Die Nationalspieler wurden vom DFB in mehreren Workshops für die Katar-Problematik sensibilisiert. «Das wird nicht die einzige Aktion sein, die wir erleben. Wir versuchen, unseren Beitrag zu leisten. Einfach wegzublicken, wäre das schlimmere Übel», sagte der Gladbacher Jonas Hofmann bei der Präsentation der Spielführerbinde mit dem «One Love»-Aufdruck. Auf die Kritik an den falschen Farbnuancen reagierte der 30 Jahre alte Profi gelassen. «Ein paar Farben vom Regenbogen waren drin. Jeder weiß, was gemeint ist», sagte Hofmann.

DFB-Direktor Oliver Bierhoff hatte zu Wochenbeginn bei dem Verbandskongress zur Menschenrechtslage in Katar den Konflikt für die Fußball-Profis zwischen Sport und gesellschaftlicher Erwartungshaltung verdeutlicht. «Wir müssen darauf achten, diesen Spagat zu finden, zwischen der Verantwortung und dem Bewusstsein, das wir als Menschen haben. Auf der anderen Seite gehen wir als deutsche Fußball-Nationalmannschaft rüber. Wir vertreten unser Land, wir wollen erfolgreich Fußball spielen», sagte der 54-Jährige.

Nationalspieler Nico Schlotterbeck sieht nicht zuerst die Fußballer in der Pflicht. «Wir Spieler können aus meiner Sicht ohnehin wenig beeinflussen, das ist in erster Linie eine Sache der Funktionäre und der Politik. Wir Sportler haben das Turnier nicht nach Katar vergeben», sagte der 22-Jährige dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Aufgabe der Spieler sei es, bei der WM maximalen Erfolg zu haben. Der Fußball müsse für alle da sein und allen offen stehen. «Er steht für Vielfalt», sagte der Verteidiger von Borussia Dortmund.

Von Arne Richter und Klaus Bergmann, dpa
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