Fans von Dortmund brennen vor einem Spiel Rauch-Pyrotechnik ab. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Ina Fassbender/dpa)

Sie reisen wieder, sie feiern wieder – und einige zünden auch wieder Pyrotechnik: Nach dem Ende der Corona-Beschränkungen im vergangenen Frühjahr pilgern Fußballfans wieder in großer Zahl in die Stadien.

Die Arenen sind voll, gute Stimmung und Choreografien sorgen für Bilder, die an die Zeiten vor der Pandemie erinnern. Doch ist wirklich alles beim Alten? Eine Bestandsaufnahme:

Die Zahlen:

Zwei Jahre ohne Stadionbesuch oder mit einem Stadionerlebnis light und nur spärlich besetzen Rängen: Für viele Anhänger brach in der Pandemie ein wichtiger Teil ihres Fan-Daseins weg. Nicht wenige Beobachter und Experten befürchteten eine Entwöhnung der Deutschen von ihrem beliebtesten Sport.

Zumindest mit Blick auf die Zuschauerzahlen in der Bundesliga ist das nicht eingetreten: Die Stadien sind voll wie eh und je. Im Schnitt besuchten in der laufenden Spielzeit rund 42.500 Menschen die Partien. In der letzten Saison vor der Pandemie 2018/19 waren es laut Deutschem Fußball-Bund (DFB) 43 441 Zuschauer pro Spiel, also nur unwesentlich mehr.

Das Bild in den Kurven:

Sie sorgen für Stimmung und prägen das Stadionerlebnis: Mit dem Ende aller Einschränkungen sind auch die aktiven Fans und die letzten Ultragruppen zurückgekehrt. «Die Fanszenen haben einfach wieder Bock aufs Stadion und auf alles, was dazugehört», beschreibt Oliver Wiebe vom Dachverband der Fanhilfen die Stimmungslage.

Bemerkbar macht sich dies in lauten Gesängen, bunten Fahnen und Fußball-Atmosphäre, wie es sie coronabedingt lange nicht gab. Bemerkbar macht sich dies aber auch durch den Einsatz von im Stadion verbotener Pyrotechnik. Hier ist seit der Aufhebung der Beschränkungen ein Trend zu beobachten: Vor der Pandemie brannten Fans vor allem bei Auswärtsspielen Fackeln ab. In dieser Saison wird Pyrotechnik von einigen Fanszenen auch im eigenen Stadion verstärkt eingesetzt.

Streitthema Pyrotechnik:

Die leuchtenden Fackeln und Rauchtöpfe bleiben ein Thema mit Konfliktpotenzial. Was für einige Anhänger zur Fankultur dazugehört, kostet die Vereine regelmäßig Geld. Der DFB bestraft das Abbrennen von Pyrotechnik konsequent. «Der starke Einsatz von Pyrotechnik ist aus meiner Sicht auch eine Folge der verfehlten Verbandspolitik», sagt Wiebe im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. «Der DFB hat ja die Gespräche mit der aktiven Fanszene zum Thema Pyrotechnik abgebrochen, und das führt teilweise zu Trotzreaktionen nach dem Motto „Jetzt erst recht“».

Unter anderem, weil sie den Einsatz von Pyrotechnik befürchtete, hatte die Polizei vor der Partie des VfL Wolfsburg gegen Werder Bremen Fans der Gäste am Wolfsburger Bahnhof stark kontrolliert. Der Vorfall hatte Anfang August für große Kritik gesorgt. Die Ultras empfanden die polizeilichen Maßnahmen als unverhältnismäßig und kehrten aus Protest wieder in die Hansestadt zurück.

Konfliktpotenzial Aktive Fans und Polizei:

Aus Sicht vieler Fans waren die Handlungen der Beamten in Wolfsburg nur ein Beispiel in einer seit Jahren problematischen Beziehung. «Wir erleben Polizeikessel und eine Kriminalisierung von Fans. Es wird dauerhaft unterstellt, dass man etwas im Schilde führt», sagt Wiebe vom Dachverband der Fanhilfen. Einsätze wie den in Wolfsburg, bei dem später auch der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) Versäumnisse der zuständigen Behörde eingeräumt hatte, empfindet auch er als unangemessen. «Wir wollen Fans dabei helfen, Recht zu bekommen, wenn sie recht haben», erklärt Wiebe das Ziel der Fanhilfen und betont: «Wir wollen keine Schlägertrupps oder so etwas schützen.»

In der Pandemie seien die «häufig als Störer angesehenen aktiven Fans und Ultragruppen» sehr verantwortungsvoll mit der Situation umgegangen, sagt Wiebe. Er bemängelt, dass sich das schon vor Corona angespannte Verhältnis zwischen Anhängern und Polizei nicht verbessert habe. Die Schuld dafür sieht er bei den Beamten. «Wir erleben seit der Corona-Pandemie keine Verbesserungen seitens der Polizei, obwohl genug Zeit für ein Umdenken war und die Fans gezeigt haben, dass sie verantwortungsvoll sind», sagt der Magdeburger. «Das ist ein Nackenschlag für die Fans.»

Wiebe beklagt: «Die Begleitung der Fans durch die Polizei hat zugenommen – und die materielle Aufrüstung auch.» Als Beispiel nennt er High-Tech-Kameras, mit denen Fans überwacht werden, Drohnen und Wasserwerfer rund ums Stadion. Aus seiner Sicht «braucht es eine Abrüstung», um den Konflikt zwischen Polizei und Fans zu entschärfen.

Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, empfindet den Begriff «Aufrüstung» im Zusammenhang mit der Polizeiarbeit als unpassend. Der 66-Jährige sagt: «Die Polizei ist ständig darum bemüht, ihre Ausstattung zu optimieren, insbesondere die Schutzausstattung für die Einsatzkräfte zu verbessern. Angesichts von beständig mehr als 10.000 gewaltbereiten beziehungsweise Gewalt suchenden Störern allein im Bereich Fußball ist dies auch notwendig.»

Wendt sieht es so: «Die Führungskräfte ordnen polizeiliche Maßnahmen der Freiheitsbeschränkung nicht zum Spaß an, sondern weil dies aus Gründen der Strafverfolgung oder zur Abwehr von Gefahren zwingend geboten ist.» Pauschale Vorwürfe gegen die Polizei seien nicht dazu geeignet, zur Entspannung beizutragen.

«Die Zahlen von gewaltbereiten oder Gewalt suchenden Personen ist nahezu unverändert, und die hohe Zahl bearbeiteter Strafanzeigen und Beschlagnahmen von verbotenen Gegenständen sprechen eine deutliche Sprache», sagt er: «Mit Fans läuft es gut, mit Krawallmachern weniger.»

Thomas Eßer, dpa
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