Am Freitag benennt Bundestrainer Hansi Flick seinen ersten Kader nach dem WM-Scheitern. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Robert Michael/dpa/Archivbild)

Kein Thomas Müller, kein Ilkay Gündogan und notgedrungen auch kein Manuel Neuer.

Zum Start des Rehabilitationsprogramms für das WM-Desaster in Katar dünnt Hansi Flick seine Ü-30-Fraktion in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft aus. Wenn der Bundestrainer am Freitagnachmittag seinen ersten Kader auf dem Weg zur Heim-Europameisterschaft 2024 für die Spiele gegen Peru am 25. März in Mainz und drei Tage später in Köln gegen Belgien benennt, wird mancher aufhorchen: Ach, der! Oder sogar: Bitte, wer?

Tür für Routiniers bleibt offen

Namen haben keine Relevanz mehr, Meriten ohnehin nicht, die müssen erst wieder erworben werden.

«Bis zum Sommer wird es auch darum gehen, ein paar neue Spieler einzuladen und zu sehen, wie sie sich in unserer Gruppe verhalten», kündigte Flick zum Wochenauftakt in einem Interview der «Süddeutschen Zeitung» seine Strategie zum Wiederaufbau der DFB-Auswahl an. Es könnten sogar Akteure dabei sein, die in ihren Clubs keine Stammspieler sind. Einzig Flicks Überzeugung zählt. 

Die Tür für die pausierenden Routiniers Müller (33) und Gündogan (32) bleibt aber offen. Torwart Neuer (36) wird sich nach seinem Beinbruch nach der langwierigen Genesung erst wieder sportlich beim FC Bayern beweisen müssen. Neuers Kapitänsbinde muss Flick bis dahin vergeben – möglicherweise auch gleich langfristig an Joshua Kimmich?

Der DFB will die Herzen der Fans zurück

Über allem stehen diese Ziele: Die Herzen der Fans zurückgewinnen und – natürlich: endlich wieder ein erfolgreiches Turnier spielen in 15 Monaten mit dem EM-Finale am 14. Juli 2024 in Berlin als Fixpunkt. «Das Wichtigste ist, dass wir guten Fußball zeigen, leidenschaftlichen Fußball. Wenn der Fan merkt, dass wir für Deutschland alles geben und mit Herz spielen, kann die Stimmung schnell wieder umschwingen», sagte Flick dem «Kicker».

DFB-Direktor Rudi Völler machte das kürzlich schon beim WM-Rapport im Sportausschuss des Bundestages klar: «Wichtig ist, wie die Mannschaft auf dem Platz auftritt.»

Stürmer sind gefragt

Aber mit wem geht Flick das Projekt Wiedergutmachung an? Wie immer wird in den Tagen vor der Kaderverkündung spekuliert und auch ein wenig fantasiert. Ein Name, der häufiger genannt wird, ist Mergim Berisha (24). Den Augsburger Stürmer sah Flick gerade noch einmal beim 3:5 in München. Der wuchtige Berisha warb mit einem Doppelpack gegen den FC Bayern für sich. Es waren die Saisontore sieben und acht des U21-Europameisters. 

Die Kategorie eiskalter Knipser ist wieder en vogue im DFB-Team, seitdem Bremens Niclas Füllkrug (30) bei der WM mit zwei Toren im Gegensatz zu vielen Kollegen demonstrierte, worauf es ankommt. Die Chancenverwertung hat Flick als ein riesiges WM-Defizit diagnostiziert. Füllkrug darf jedenfalls wiederkommen. Das habe er sich in Katar verdient. Da Timo Werner nach seiner Bänderverletzung kurz vor der WM nun wieder dabei ist, hat Flick ganz vorne Optionen. Die Verletzungen der Dortmunder Julian Brandt (26), Karim Adeyemi (21) und Youssoufa Moukoko (18) sind dennoch ärgerlich.

Florian Wirtz ist für Flick quasi ein Neuzugang. Sein letztes von bislang nur vier Länderspielen bestritt der hochtalentierte 19-Jährige im Oktober 2021 in Nordmazedonien (4:0). Sein WM-Aus wegen eines Kreuzbandrisses bezeichnet Flick immer noch als harten Schlag. Gemeinsam mit Jamal Musiala (20) soll der Leverkusener zum Gesicht des Neuaufbaus werden.

In diese Kategorie fällt auch Southamptons Armel Bella Kotchap (21), der bei der WM schon zum Schnupperkurs dabei war. Der Innenverteidiger soll Niklas Süle (27) und Nico Schlotterbeck (23) Druck machen. Flick wird die BVB-Profis nach deren schwacher WM-Performance vorerst nicht fallen lassen. 

Wer könnte sein Debüt geben?

Doch wer sind weitere wirkliche Neulinge?

Vitaly Janelt (24) vom englischen Überraschungsteam FC Brentford wäre eine Option für das defensive Mittelfeld. Sein Club-Kollege Kevin Schade (21) hat offensiv eine Perspektive, wie auch der ehemalige Schalker Innenverteidiger Malick Thiaw (21) vom AC Mailand oder der Gladbacher Luca Netz (19), der als linker Außenverteidiger einen Bonus hat. Die defensiven Flügel sind chronisch schwach besetzt. Philipp Max legte in Frankfurt einen guten Saisonstart hin. 2020 spielte er dreimal noch unter Flick-Vorgänger Joachim Löw und kam seither nie wieder. Vielleicht ändert sich das.

Die Junioren Schade, Thiaw und Netz stehen an der Schwelle zwischen U21 und A-Team. Gut möglich, dass sie zwischen den Mannschaften pendeln werden. Im Sommer verteidigt die U21 ihren EM-Titel. Ein Erfolg würde einen Schub für 2024 geben. Nicht umsonst sitzt Flick am Montag (11.00 Uhr) gleich zum Lehrgangsauftakt auf dem Frankfurter DFB-Campus gemeinsam mit Nachwuchscoach Antonio Di Salvo und Völler zusammen auf dem Medienpodium.

Das Signal, das gesendet werden soll, ist klar: Gemeinsam sind wir stark. 

Arne Richter und Klaus Bergmann, dpa
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