Vier Tore gegen Tottenham. Zwei Tore gegen Chelsea. Wenn der Fußballer Serge Gnabry nach London kommt, herrscht bei den Engländern Alarmstimmung.
Das soll sich auch im Achtelfinale der Europameisterschaft am Dienstag (18.00 Uhr/ARD und MagentaTV) im legendären Wembley-Stadion nicht ändern. Diesmal kehrt der 25-Jährige zwar mit der deutschen Nationalmannschaft und nicht mit dem FC Bayern in seine alte Wahlheimat zurück, wo er einst als Jungspund für den FC Arsenal stürmte. An der Tor-Lust im Vereinigten Königreich soll das aber nichts ändern.
Zeit für ein Gnabry-Tor
«Ein genaues Rezept kann ich keinem geben. Bislang lief es gut», erklärte Gnabry am Samstag seine grandiose London-Ausbeute mit den Bayern in der Champions League. Bei der EM wird es Zeit für ein Gnabry-Tor. Noch steht die Null. Viele Laufwege spulte er in den drei Gruppenspielen ab. In die gefährliche Zone kam er selten. Gegen Frankreich hatte er die deutsche Solo-Chance auf den Ausgleich.
Beunruhigend ist für Joachim Löws «Immer-Spieler» die Wartezeit aber nicht. Gnabry wirkt ohnehin nicht getrieben. Genau zugehört habe er dem ebenfalls noch torlosen Turnier-Veteranen Thomas Müller, der vor ihm bei der Pressekonferenz auf dem Podium saß und von der großen «Geduld» berichtete, die ein Stürmer einfach auch mal haben müsse.
Müller sprach zwar über Englands Null-Tore-Stürmer Harry Kane. Die Worte trafen aber auch auf Gnabry zu, der zuletzt im EM-Test gegen Lettland (7:1) einen Treffer beisteuerte und in dieser Saison bei drei Länderspieltoren steht. Eine Null-Tore-EM sei «nicht die Wunschvorstellung», meinte Gnabry. Und würde auch nicht zu seiner Bilanz von mehr als einem Tor in jedem zweiten Spiel passen.
Einsatz für die «Community»
Mit 16 Toren in 25 Länderspielen ist er, was die Quote betrifft, mit 0,64 Treffern im DFB-Kader weit vorn. «Hoffentlich gelingt mir gegen England ein Tor», sagte er vor seiner persönlichen Wembley-Premiere.
Überlebensgroß prangt Gnabry derzeit von Werbetafeln in großen deutschen Städten, auf denen suggeriert wird, das nichts unmöglich sei. Von einem Fußballer wird dort erzählt, der es ganz nach oben geschafft hat, sich selbst aber für die «Community» im Einsatz sieht.
Auf dem DFB-Podium hat Gnabry auch noch Zeit für die Sorgen anderer. Sturmkollege Leroy Sané – derzeit unter dem Brennglas der Kritik von Fans und Experten – wird von ihm in Schutz genommen. «Ich kann das nicht verstehen, warum gepfiffen wird», sagte er. «Es wäre natürlich viel schöner, wenn Unterstützung käme. Wenn dann eine Aktion zu einem Tor führt, ist das Geschrei wieder groß», betonte Gnabry.
Ein eher zurückhaltender Typ
Das passt zu ihm, der sich im Gegensatz zu exaltierten Charakteren wie eben Sané eher zurückhaltend präsentiert. Im fränkischen Teamquartier gehört er zur eher ruhig veranlagten Gitarren-Fraktion.
Mit Phlegma hat das bei Gnabry, der auch mal ein Fremdwort wie «intrinsische Motivation» einstreut, wenn er über innere Antriebe zur Zielerreichung spricht, nichts zu tun. Beim Fußball-Allgemeinwissen hat er aber noch Lücken, die die Ex-Weltmeister Christoph Kramer und Per Mertesacker in einem vom DFB veröffentlichten Video-Quiz schonungslos aufdeckten. Andy Brehme war nicht wie vermutet Torschütze im EM-Finale 1996, sondern zweimal Oliver Bierhoff.
«Oh, Gott, das tut mir leid», reagierte Gnabry auf die falsche Antwort. Und blieb schlagfertig. Wie schwer der EM-Pokal ist (12,2 Kilogramm)? Keine Ahnung! «Ich kann es Euch am 11. Juli sagen», konterte Gnabry. An dem Sonntag steigt in Wembley das EM-Finale.