Kylian Mbappé kann noch vor seinem 24. Geburtstag zum zweiten Mal Fußball-Weltmeister werden. Harry Kane ist international bislang nicht über Vize-Titel hinausgekommen.
Der mit Spannung erwartete europäische WM-Gipfel zwischen England und Frankreich wird am Samstag (20.00 Uhr MEZ/ZDF und MagentaTV) auch zu einem Duell der beiden Topstars. Und Mbappé mit fünf Toren sowie Kane mit mehr Vorlagen als Treffern könnten kaum unterschiedlicher sein.
Mbappé ist bereits hochdekoriert, spielte auch beim Triumph 2018 in Russland eine enorm wichtige Rolle. Dieses Mal ist seine Stellung noch exponierter. Die Ein-Mann-Dampfwalze mit Tempo, exzellenter Technik und brutaler Schusskraft trägt auf der linken Seite das komplette Spiel des Titelverteidigers.
«Er kann den Unterschied machen»
«Ich bin mir sicher, England wird sich auf Mbappé vorbereitet haben. Aber er kann den Unterschied machen. Er hat im letzten Spiel nicht seine Topform gezeigt – und war trotzdem entscheidend», sagte Trainer Didier Deschamps vor dem Viertelfinale im nördlich von Doha gelegenen Wüstenort Al-Chaur über seinen Ausnahmekönner, der offensichtlich auch ohne Topform noch ein K.o.-Spiel mit zwei Treffern prägen kann.
Kane (29) funktioniert ganz anders, auf dem Feld und abseits davon. Der Stürmer von Tottenham Hotspur, der auch immer wieder als Kandidat beim FC Bayern München gehandelt wird, spielt in einem 4-2-3-1-System auf dem Papier zwar als klassische Neun im Sturmzentrum, ist aber alles andere als ein reiner Vollstrecker. Kane lässt sich oft bis zur Mittellinie fallen, erobert Bälle und verfügt über eine exzellente Übersicht. Davon zeugen auch die bislang drei Torvorlagen, die bis zum WM-Viertelfinale Bestwert waren.
«Ich kann nur Positives über ihn sagen. Er ist ein echter Leader und ein Vorbild. Er macht den Unterschied», sagte Frankreichs Torhüter Hugo Lloris über seinen Clubkollegen in London. Mbappé macht zweifellos auch den Unterschied, aber «Leader» oder «Vorbild»? Diese Rollen nehmen bei der Équipe Tricolore eher andere Profis ein, zum Beispiel Lloris selbst.
Zwei «Man of the Match»-Pk’s geschwänzt
Auch die Kommunikation in der Öffentlichkeit könnte unterschiedlicher kaum sein. Mbappé schwänzte bei dieser WM schon zweimal die Pressekonferenz als «Man of the Match», sagte beim dritten Mal dann: «Es war nichts Persönliches. Ich habe nichts gegen Journalisten.» Ihm gehe es nur um den WM-Titel. Dies bekräftigte Mitspieler Lloris am Freitag noch einmal: «Er ignoriert das ganze Gerede um ihn herum. Er braucht das nicht. Er ist komplett fokussiert auf seine Ziele.»
Kanes Ansichten werden in der britischen Presse so geschätzt wie die von Chefcoach Gareth Southgate. Fast schon traditionell nimmt Southgate seinen Kapitän am Tag vor dem Spiel mit vor die Weltpresse. Als bei Englands Experten und in den heimischen Medien über die endlosen Möglichkeiten in der Offensive diskutiert wurde, war nur eines immer klar: Kane spielt, alles andere dahinter ist austauschbar.
Eine torlose Vorrunde, in der der Torjäger trotzdem positiv auffiel, beschädigte den Kapitän überhaupt nicht. Und nach dem ersten Treffer beim 3:0 im Achtelfinale gegen Senegal sagte Kane: «Ich musste mich in Geduld üben, aber heute war der Tag. Ich fühle mich gut. Ich hoffe, das ist erst der Start für mich.» 2018 war er mit sechs Treffern Torschützenkönig der WM.
Den bisher makellosen Engländern ist zuzutrauen, Weltmeister Frankreich auf Augenhöhe zu begegnen. Als Deschamps auf die Schwächen der Three Lions angesprochen wurde, sagte der Erfolgscoach nur: «Sie haben keine.» Das Southgate-Team ist souverän durch das bisherige WM-Turnier gekommen, schoss die meisten Tore und kassierte hinter Marokko die zweitwenigsten.
«Das ist der größte Test»
Doch nun wartet Frankreich. «Das ist der größte Test, der uns erwarten kann. Sie sind Weltmeister, sie haben Tiefe, sie haben Talent, sie haben herausragende Spieler. Es ist eine fantastische Herausforderung», sagte Southgate, der auf den schnellen Kyle Walker als Spezial-Manndecker gegen Superstar Mbappé setzt.
Englands Team im Jahr 2022 erinnert ein Stück weit an Frankreich von vor vier Jahren. Auch die Équipe Tricolore hatte in den Jahren davor schwere Niederlagen in großen Spielen hinnehmen müssen, zum Beispiel im EM-Finale im eigenen Land. So ging es auch den Three Lions im Vorjahr. Die dadurch erlangte Reife soll nun helfen, eine 56 Jahre lange Titelflaute seit 1966 zu beenden. «Der Standard unserer Spieler ist nochmal nach oben gegangen. Wir waren vielleicht etwas unerfahren in großen Spielen», sagte Routinier Walker. Frankreich hingegen könnte als erstes Team seit Brasilien 1962 den WM-Titel verteidigen.
Die möglichen Aufstellungen:
England: 1 Pickford – 2 Walker, 5 Stones, 6 Maguire, 3 Shaw – 8 Henderson, 4 Rice – 17 Saka, 22 Bellingham, 20 Foden – 9 Kane
Frankreich: 1 Lloris – 5 Koundé, 4 Varane, 2 Upamecano, 22 Theo Hernández – 8 Tchouameni, 14 Rabiot – 11 Dembélé, 7 Griezmann, 10 Mbappé – 9 Giroud
Schiedsrichter: Wilton Sampaio (Brasilien)