Bayerns Trainer Thomas Tuchel (l) und Leverkusens Trainer Xabi Alonso begrüßen sich vor einem Spiel. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tom Weller/dpa)

Beim verbalen Topspiel-Vorspiel mit Kontrahent Xabi Alonso versprühte Thomas Tuchel mit leuchtenden Augen Münchner Angriffslust. In seine Lobrede auf den ungeschlagenen Liga-Krösus Bayer Leverkusen und dessen Schöpfer Alonso mischte der Bayern-Coach als erster Presskonferenz-Redner eine klare Ansage für die Kraftprobe in der Bundesliga, auf die Fußball-Deutschland gebannt wartet.

Tuchel fordert «eine Statement-Leistung»

«Samstag, 18.30 Uhr, Hosen runter und Karten auf den Tisch. Wir wollen eine Statement-Leistung», sagte Tuchel in Erinnerung an den Statement-Sieg des Serienmeisters seit 2013 beim 4:0 im Liga-Clásico gegen Borussia Dortmund.

«30 Teams haben es versucht, 30 Teams haben es nicht geschafft», bemerkte Tuchel zu Bayers Ungeschlagen-Serie in der laufenden Spielzeit: «Leverkusen spielt eine überragende Saison. Ich glaube trotzdem, dass sie mehr an ihrem Limit spielen als wir. Wir haben noch mehr Luft nach oben», sagte Tuchel und befand: «Es ist der Moment, den nächsten Schritt zu gehen.»

Tuchel glaubt zwar nicht an eine Vorentscheidung im Titelkampf, aber alle könnten die Tabelle lesen: «Bei einer Niederlage von uns klafft schon mal eine Lücke.» Fünf Punkte Rückstand wären es dann. Bei einem Bayern-Sieg wiederum gäbe es einen Wechsel an der Spitze.

Alonso will die Chance zur Zeitenwende im deutschen Fußball ergreifen. Sein verbaler Konter zwei Stunden nach Tuchels Ausführungen lautete: «Es ist ein großes Spiel, emotional, mit großer Qualität. Bis jetzt haben wir eine Super-Saison gespielt – und doch nur zwei Punkte Vorsprung. Die Bayern sind Meister. Sie haben die Sieger-DNA, aber wir sind bereit!»

Neuer wackelt, Risiko bei Kimmich und Upamecano

Natürlich kommt es zuvorderst auf die Protagonisten auf dem Platz an. Auf Taktgeber Granit Xhaka, Abwehrchef Jonathan Tah oder Unterschiedsspieler Florian Wirtz bei Bayer. Einen Risiko-Einsatz des zuletzt verletzten Weltmeisters Exequiel Palacios schloss Alonso aus.

Torjäger Harry Kane, Rückkehrer Joshua Kimmich oder Ballzauberer Jamal Musiala stehen bei den Bayern im Fokus. Und Tuchel steht vor äußerst kniffligen Personalentscheidungen.

Der Einsatz von Nationaltorwart Manuel Neuer wackelt wegen Kniebeschwerden. «Es ist Manu, er kriegt von uns Zeit am Samstag bis 17.00 Uhr», kündigte Tuchel an. Der Kapitän wird alles versuchen. «Wir mögen ja solche Highlight-Spiele», lautete Neuers Stichel-Botschaft an Bayer.

Tuchel muss auch abwägen, ob er die aus Verletzungen kommenden Kimmich (Schulter) und Dayot Upamecano (Muskelfaserriss) aufbietet. «Bei Josh brauchen Sie keine Signale zu erwarten. Der kommt auch mit einem Arm ins Training und sagt: Es geht», sagte Tuchel.

Es ist angerichtet. «Wenn du Champion am Ende der Saison sein willst, musst du in solchen Spielen eine gute Leistung zeigen», sagte der 24-fache Saison-Torschütze Kane.

Tuchel stachelte noch speziell Musiala für den Spielmacher-Wettstreit mit dem gleichfalls 20-jährigen Wirtz an. «Ich möchte unbedingt, dass Jamal dem Spiel seinen Stempel aufdrückt und genau so spielt, dass er am Ende Man of the Match ist und nicht Florian Wirtz.»

Die Handschrift der Trainer

Auch am Spielfeldrand wird die Partie mit entschieden. Bayer gegen Bayern, das ist eben auch Alonso (42) kontra Tuchel (50). Der Ältere rühmt den Jüngeren. «Die Handschrift von Xabi ist 100 Prozent erkennbar», sagte Tuchel. Alonso habe schon als Fußballer «so gespielt, dass man nicht extrem viel Fantasie brauchte, um sich vorzustellen, dass er auch ein Top-Trainer sein kann». Spielweise, Kader, Sieger-Gen – Alonso hat «Vizekusen» titelfähig gemacht. Drei Trophäen – Meisterschaft, Pokal und Europa League – sind noch drin.

«Diese Mannschaft hat Herz, diese Mannschaft hat Seele – und sie versucht es immer bis zum Ende», schwärmte der noch junge Trainer-Stratege Alonso emotionalisiert nach dem schon dritten Last-Minute-Sieg seiner Mannschaft 2024 beim mitreißenden 3:2-Erfolg im Pokal-Viertelfinale gegen den VfB Stuttgart.

«Mia san mia» – das patentierte Bayern-Motto wird neuerdings erfolgreich in Leverkusen gelebt. Und vorgelebt von Alonso, dem Münchner Meisterspieler von 2015 bis 2017. «Ich genieße diesen Moment als Trainer», sagte er.

Wegweisende Woche

Auch Tuchel ist ein Trainer mit Hingabe. Aber einer, der aneckt, dessen Handschrift bei Bayern auch nach elf Monaten nur dosiert aufleuchtet. Tuchels Fallhöhe ist darum in der BayArena größer. FC Liverpool, Real Madrid – Alonso scheinen derweil für die Zukunft viele Vereinstüren offenzustehen, auch die in München, wo er drei Jahre als Profi spielte.

Und der smarte Spanier, der Weltmeister, Europameister und Champions-League-Sieger als Spieler war, kann als Trainer Siege gegen Bayern. Das 2:1 am 19. März 2023 in Leverkusen kostete Julian Nagelsmann wenige Tage den Trainer-Job in München. Tuchel übernahm.

Am Samstag (18.30 Uhr/Sky) wird Nagelsmann als Bundestrainer auf der Tribüne der BayArena sitzen und erwartet als «neutraler» Beobachter «ein Spiel auf Augenhöhe». Sein Tipp: «Es wird sehr, sehr spannend.» Und natürlich wird Nagelsmann genau verfolgen, was Tuchel macht.

Der weiß, dass es in eine Woche geht, die wegweisend ist, für den Verein, für die Spieler – und auch für ihn: «Wir brauchen das Maximum.» An Leistung, an Ergebnissen. Vier Tage nach Leverkusen steht das erste K.o.-Spiel in der Champions League bei Lazio Rom an.

Von Klaus Bergmann und Manuel Schwarz, dpa
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