Ilkay Gündogan küsste den silbernen Henkelpott und stemmte die Trophäe dann strahlend in den Istanbuler Nachthimmel. Um 00:16 Uhr (Ortszeit) war der Nationalspieler wie sein Startrainer Pep Guardiola endlich am Ziel aller Champions-League-Träume.
Nach mehreren vergeblichen Anläufen gewann Manchester City das Endspiel der Königsklasse verdient mit 1:0 (0:0) gegen Inter Mailand mit dem am Ende bitter enttäuschten Nationalspieler Robin Gosens. «Wie im Märchen, besser geht es nicht», schwärmte Gündogan bei DAZN. «Es ist ein großes Privileg, nicht nur Kapitän dieser Mannschaft zu sein, sondern auch unter Pep zu spielen, Teil dieses tollen Vereins zu sein.»
Gündogan emotional
Der im Finale sehr engagierte 32-Jährige erfüllte sich in seinem dritten Finale den langgehegten Wunsch vom Champions-League-Sieg, mit seinen Teamkollegen um Wunderstürmer Erling Haaland und im Arm von Guardiola sang er die «We Are the Champions»-Hymne. «Man kann sich vorstellen, wenn man das dritte Finale spielt und die zwei davor verloren hat, das erste davon vor zehn Jahren, dann jagt einen das mental», sagte Gündogan im ZDF.
Sein DFB-Teamkollege Gosens, der bei Inter in der 76. Minute eingewechselt wurde, reist im Gegensatz zu Gündogan ohne den großen Titel zur Nationalmannschaft. Kurz vor dem Ende hatte der Außenbahnspieler eine riesige, aber letztlich vergebene Chance für Romelu Lukaku aufgelegt (88.), nach dem Schlusspfiff starrte Gosens ins Leere.
Für die City-Besitzer aus Abu Dhabi zahlten sich die immensen Investitionen über die Jahre dank des Treffers von Rodri (68.) erstmals in der Königsklasse aus. Sportlich verdient ist der Erfolg ohne Frage: Die Cityzens blieben in der gesamten Europapokalsaison ungeschlagen, besiegten auf dem Weg nach Istanbul unter anderem die Topclubs FC Bayern München und Real Madrid und ließen sich im Endspiel auch von der frühen Verletzung von Starspieler Kevin De Bruyne nicht unterkriegen.
Guardiola verzichtet auf Experimente
Für Guardiola war es bereits der dritte Champions-League-Triumph nach zwei Titeln mit dem FC Barcelona – und eine persönliche Genugtuung. Nach seinen gescheiterten Versuchen mit den Bayern und jahrelang auch mit Man City waren Zweifel an seiner Trainer-Qualität in großen Spielen aufgekommen. Doch diesmal verzichtete er auf Experimente und vertraute seinem eingespielten Starensemble.
Der Spanier, dieses Mal schick im schwarzen Sakko, und sein Gegenüber Simone Inzaghi gestikulierten an der Seitenlinie energisch von der ersten Minute an, beide riefen lautstark Anweisungen auf den Rasen. Zufrieden wirkte Guardiola schon in der ersten halben Stunde überhaupt nicht, sein Ausnahmeteam hatte deutlich mehr Mühe als allgemein erwartet worden war.
Zwar kam Bernardo Silva im Strafraum mit dem linken Fuß zum ersten aussichtsreichen regulären Abschluss (6.). Inter zog sich aber keineswegs zurück, sondern spielte sich insbesondere über die linke Seite von Federico Dimarco immer wieder gefährliche nahe an den Strafraum des zu Beginn unsicher wirkenden Manchester-Torwarts Ederson. Im Mailänder Sturm strahlte der inzwischen 37 Jahre alte, einstige Wolfsburger Bundesliga-Meister Edin Džeko bis zu seiner Auswechslung nach knapp einer Stunde altbekannte Robustheit aus.
Erdogan auf der Ehrentribüne
Auf der Tribüne verfolgten zahlreiche Ehrengäste, allen voran der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan an der Seite von UEFA-Präsident Aleksander Ceferin, das Final-Spektakel, das zunächst gar keines war. Beide Team belauerten sich mit hoher Intensität, im City-Mittelfeld ordnete Kapitän Gündogan das Spiel mit Ruhe. Seine Ablage auf De Bruyne leitete der Belgier mit Tempo zu Haaland weiter. Der frühere Dortmunder, der schon vor der Partie praktisch uneinholbar Torschützenkönig des Wettbewerbs war, scheiterte aber an Inter-Torwart Andre Onana (27.).
Nur wenige Minuten später rieb sich Guardiola sorgenvoll über die raspelkurzen Haare, als De Bruyne auf dem Rasen am Oberschenkel behandelt werden musste (30.). In der 36. Minute verließ der Starspieler sichtlich niedergeschlagen den Platz – und bittere City-Erinnerungen wurden wach. Vor zwei Jahren im Endspiel gegen den FC Chelsea (0:1) war die verletzungsbedingte Auswechslung von De Bruyne nach einer Stunde der endgültige Wendepunkt zugunsten der Londoner gewesen. Ohne den Ausnahmespieler war City nicht mehr der Ausgleich gelungen.
Am Samstagabend erholte sich der englische Meister, jetzt mit Phil Foden, bis zur Pause halbwegs. Von der fast schon gewohnten Dominanz – beispielsweise aus den Viertelfinalspielen gegen die Bayern – war aber wenig zu sehen. Der frühere Dortmunder Manuel Akanji versuchte es mit einem Distanzschuss, auch das sagte etwas über die konzentriert arbeitende Inter-Defensive aus (45.+1).
Härte kommt ins Spiel
Kurz nach der Pause lag auch Gündogan nach einem Foul des früheren Bundesliga-Profis Hakan Calhanoglu auf dem Rasen, der 32-Jährige konnte aber weiterspielen. Inter hatte die City-Offensive in der Phase weiterhin bemerkenswert gut im Griff. Der polnische Schiedsrichter Szymon Marciniak musste allerdings auch öfter eingreifen, um die zunehmende Härte beider Team unter Kontrolle zu bekommen.
Ein Missverständnis in der City-Abwehr hätte fast zur Inter-Führung durch Lautaro Martínez geführt, doch Ederson passte auf (59.). Die Szene, die Guardiola hatte auf die Knie fallen lassen, wirkte wie ein Weckruf auf die Cityzens, die jetzt stärker wurden. Rodri traf mit einem überlegten Schuss von der Strafraumgrenze mit der Innenseite, Tausende Man-City-Fans jubelten. Nur gut zwei Minuten später zeigte Dimarco mit seinem Kopfball an die Latte aber, dass noch nichts entschieden war (70.). Auch, weil auf der Gegenseite Foden eine riesige Chance vergab (76.).