Der FC Bayern München um Robert Lewandowski (v) siegte in Kiew. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Efrem Lukatsky/AP/dpa)

Julian Nagelsmann und seine kleine Reisegruppe waren gerade mit dem eingetüteten Gruppensieg aus dem winterlichen Kiew zurück in München, da wurde aus dem Corona-Hotspot FC Bayern gleich der nächste Positiv-Test übermittelt.

Diesmal hat es Angreifer Eric Maxim Choupo-Moting getroffen, der ohnehin bereits zu den fünf Bayern-Profis zählte, die sich als Kontaktpersonen in häuslicher Quarantäne befanden. Die Champions-League-Dienstreise in die Ukraine und das 2:1 (2:0) im dortigen Olympiastadion hatte auch Choupo-Moting darum verpasst – weitere Partien werden bei ihm nun dazukommen.

«Ist das eine sportliche Frage oder zu Corona?»

Dick eingepackt im warmen Wintermantel hatte Nagelsmann am späten Dienstag in der Ukraine trotz der nächsten Impffragen noch Spaß an seiner letzten dienstlichen Verpflichtung vor Ort. «Ist das eine sportliche Frage oder zu Corona?», scherzte der 34-Jährige zum Abschluss seiner Pressekonferenz im Dynamo-Stadion und lachte nach der Antwort aus dem Reporterkreis: «Corona? Dann gehen wir.»

Ausführlich hatte Champions-League-Gruppensieger Nagelsmann nach dem 2:1 (2:0) des auf Europas großer Fußball-Bühne weiter makellosen FC Bayern zuvor Stellung zu Reizthemen wie Quarantäne-Ausfällen oder Gehaltseinbußen für betroffene Profis bezogen. Das nächste Thema mit Brisanz könnte die Katar-Frage beim Mitgliedertreffen an diesem Donnerstag (19.00 Uhr) vor maximal rund 1700 Besuchern im Münchner Audi Dome aufwerfen. «Grundsätzlich ist es immer ein schönes Erlebnis, den Mitgliedern gegenüberzutreten», sagte Nagelsmann über seinen geplanten Besuch bei der Jahreshauptversammlung. Und deutlich fügte er hinzu: «Für mich ist das kein Nebenkriegsschauplatz.» Es ist für ihn eine Premiere.

Impfung gegen Corona großes Thema

Neben dem durch den im zeitweiligen Schneetreiben gegen Dynamo vorzeitig gesicherten ersten Platz in der Gruppe hob auch die Aussicht auf eine positive Impfkunde der Nationalspieler Serge Gnabry und Jamal Musiala die Laune des Bayern-Trainers. «Ich kann das noch nicht bestätigen», sagte Nagelsmann: «Sollte es der Fall sein, dann freue ich mich darüber, dann ist es ein erster Schritt.»

Der «Kicker» hatte den Piks für Gnabry und Musiala vermeldet. Bei Führungsspieler Kimmich geht die «Tendenz» laut Bundestrainer Hansi Flick zur Impfung. «Ich habe mit Jo gesprochen und denke, dass es auch in die Richtung geht, dass er sich impfen lässt», sagte Kimmichs früherer Club-Trainer während einer Videoschalte des Deutschen Fußball-Bundes. «Ich gehe mal davon aus, ja, es ist in Zukunft auch nichts anderes mehr möglich, denke ich mal.» Er glaube, sein Gespräch mit dem Mittelfeldspieler sei «sehr gut» gewesen. «Ich glaube schon, dass ihn das Ganze beschäftigt», sagte Flick.

Kimmich, Gnabry, Musiala, Michael Cuisance hockten wie der nun infizierte Choupo-Moting daheim in Quarantäne, während eine Münchner Rumpftruppe auch Gruppenspiel Nummer fünf in der Königsklasse gewann. «Mission erfolgreich abgeschlossen», stellte Kapitän Manuel Neuer nach der ersten Champions-League-Etappe zufrieden fest.

Zwei neue Verletzte

Nicht glücklich macht die Münchner derzeit auch der Blick auf das Personaltableau. Neben den fünf Quarantäne-Ausfällen fehlten die nach Corona-Infektionen mittlerweile freigetesteten Niklas Süle und Josip Stanisic sowie der gelbgesperrte Dayot Upamecano. Angeschlagen mussten in der Ukraine Lucas Hernández (muskuläre Probleme) und Tanguy Nianzou (Schulterschmerzen) vom Platz. «Auch wenn ich ‚mal Doktor Schiwago zu mir gesagt habe – aber einen Röntgenblick habe ich noch nicht», scherzte Nagelsmann zu Diagnosen seinerseits. Kurz nach dem Spiel konnte er eine mögliche Ausfalldauer nicht abschätzen.

Anderthalb Wochen vor dem Bundesliga-Gipfel bei Borussia Dortmund, vor dem für den Tabellenführer aus München zunächst am Samstag das Heimspiel gegen Arminia Bielefeld ansteht, ist der Personalstand höchst beunruhigend. «Es kommt immer darauf an, wie es sich in Zukunft gestaltet. Wenn natürlich die Spieler weiterhin in Quarantäne müssen, wenn sie ungeimpft sind, dann hat das immer eine kleine Gefahr für die Saisonziele», sagte Nagelsmann.

Der 34-Jährige ließ anklingen, wie schwer die «Gratwanderung» für ihn als Trainer ist. Als Impfbefürworter habe er eine klare Meinung. Aber man müsse auch versuchen, die Meinung nicht geimpfter Spieler zu verstehen. Dazu gehe es um die Vorgaben des Vereins. Beides müsse man nach außen vertreten können. «In der Gemengelage versuche ich, so ein bisschen als Verbindungsglied zu wirken. Ich glaube, es klappt ganz gut – hoffe ich», sagte Nagelsmann zu seiner Schlüsselrolle.

Arbeitsrecht angewendet

Seine Ausführungen zum Thema Gehaltsverzicht legten nahe, dass die Quarantäne-Profis tatsächlich Einbußen hinnehmen mussten und müssen. «Ich glaube, bestrafen ist das falsche Wort in meinen Augen», sagte Nagelsmann und verwies auf das Arbeitsrecht. Der Arbeitgeber könne eben die Gehaltszahlung an den Arbeitnehmer stoppen, wenn dieser ungeimpft in Quarantäne sei und nicht arbeiten könne. «Das ist aber nichts Fußballspezifisches. Wenn die Zahnarzthelferin nicht geimpft ist und ausfällt, darf der Zahnarzt auch die Gehaltszahlung stoppen.»

Was die Fraktion der Impfzauderer zu dem kolportierten Umdenken bewegt hat, dürfte für Nagelsmann nicht entscheidend sein. Dass er am 4. Dezember beim BVB einen möglichst vollständigen Kader zur Verfügung hat, dagegen schon. «Wir brauchen das komplette Personal, weil Dortmund uns alles abverlangen wird», hob Nagelsmann hervor.

Vor dem Westfalen-Doppel in der Bundesliga steht aber am Donnerstag in München erst einmal die Jahreshauptversammlung an. Dann werden Vereinspräsident Herbert Hainer und Vorstandschef Oliver Kahn im Fokus stehen. In der Veranstaltung unter den Vorgaben einer 2G-Plus-Regelung – ungeimpfte Profis wie Kimmich und Co. dürften auch ohne Quarantäne gar nicht in die Veranstaltungshalle kommen – soll es nach dem Willen einiger Mitglieder auch um die Geschäftsbeziehungen des Clubs mit Katar gehen.

Zahlreiche Bayern-Fans stören sich wegen der umstrittenen Menschenrechtsfrage im Gastgeberland der nächsten Fußball-WM an der hoch dotierten Partnerschaft mit Qatar Airlines. «Das ist sicherlich ein komplexes Thema, das im Vorfeld der Jahreshauptversammlung wieder stärker diskutiert wird. Generell ist dazu zu sagen, dass wir uns einem Austausch mit Fakten und sachlichen Argumenten nicht verschließen – und der darf natürlich auch kritisch ausfallen», sagte Hainer am Mittwoch auf der Internetseite des Vereins. «Allerdings ist es uns wichtig, dass die Form immer gewahrt wird. Kontroversen halten wir als Verein auch grundsätzlich aus, sie gehören zu einem Diskurs wie allgemein zum Vereinsleben.»

Von Christian Kunz und Andreas Stein, dpa
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