Hertha-Nezugang mit großer Anhängerschaft: Nader El-Jindaoui. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Andreas Gora/dpa)

In Berlin erklingt die Champions-League-Hymne. Ein neuer Big-City-Clou? Nein. Nader El-Jindaoui, ein Neuzugang der Hertha-Amateur-Elf, unterlegte mit der Melodie eine Instagram-Story für sein dortiges Millionen-Publikum und rundete so einen ziemlich ungewöhnlichen Berliner Fußball-Nachmittag ab.

Sandro Schwarz ist nicht bei Instagram und nicht bei Twitter. Social Media ist nicht seine Welt. Der Trainer von Hertha BSC hatte also vielleicht gar nicht mitbekommen, was in der Heimat passiert war, als er milde Worte für das 0:1 seiner Profi-Elf im Test beim englischen Drittligisten Derby County fand. Drei Wochen vor dem Bundesliga-Start mit dem Lokalduell gegen Union Berlin waren die Hertha-Profis von den Trainingsstrapazen offensichtlich müde. Der Test in Derby war kein Derby-Maßstab. Und das Sportliche bei der Hertha mal wieder sekundär.

«Platzsturm» bei Hertha-Amateuren

Beim Amateur-Team hatte es kurz zuvor einen «Platzsturm» gegeben. Doch keine Sorgen, nicht aus neuer Hertha-Fan-Wut. Sondern aus einer Social-Media-Laune, verursacht durch eben jenen Nader El-Jindaoui. 25 Jahre. Und Star einer Internet-Blase. «El-Jindaouis. Was war das für ein Tag. Wallah. Ich komme einfach nicht klar», sagte der Offensivspieler nach dem 3:1 gegen Tasmania Berlin, dem er mit seiner Online-Kampagne zu erstaunlicher Aufmerksamkeit verholfen hatte.

2347 Fans waren ins kleine Stadion am Wurfplatz im Schatten des Olympiastadions gekommen. Fast sechsmal so viele, wie die Hertha-Amateure, in der Hauptstadt «Bubis» genannt, in der letzten Saison im Durchschnitt in der Regionalliga Nordost hatten. El-Jindaoui hatte über seine Kanäle mit 1,6 Millionen Followern bei Instagram und 1,2 Millionen bei Youtube jedem ein Autogramm und Foto versprochen, der mit einem Trikot mit seinem Namen und der Nummer 37 zu der Partie kommt. So funktioniert Fußball-Marketing heutzutage.

Kurz vor Spielschluss hielt es die meist jungen Fans nach dem dritten Hertha-Tor nicht auf ihren Sitzen. Sie stürmten den Rasen. Der Schiedsrichter kapitulierte und pfiff nicht mehr an. Die schnell produzierte Online-Schlagzeile «Spielabbruch» war für die überschwänglichen Szene allerdings zu reißerisch. El-Jindaoui maßregelte selbst die wenigen Flitzer, die offenbar über die Stränge schlugen. Noch bevor alle Shirts signiert waren, musste die Polizei die Show beenden, wie der Influencer bedauerte. Am Sonntag rundete er seine Insta-Story mit Bildern aus seinem neuen «Büro» ab. Zuvor habe er auf einem «Gummiball in der Küche» seine Clips geschnitten.

Hertha will sich wappnen

Und die Hertha reagierte auch und will sich künftig besser wappnen. «Wir freuen uns, dass so viele Fans zu einem Testspiel unserer U23 gekommen sind. Das ist eine bisher nicht bekannte Dimension gewesen. Wir werden die Entwicklung nun beobachten und entsprechend darauf reagieren. Zum Beispiel mit einer erhöhten Anzahl an Ordnungspersonal, denn natürlich steht bei aller Begeisterung der reibungslose Ablauf des Spielbetriebs im Vordergrund und ist zu gewährleisten», sagte Geschäftsführer Fredi Bobic am Sonntag.

Hertha BSC und seine Online-Koryphäen, das ist in diesem Sommer eine besondere Geschichte. Vor einer Woche hatte der ehemalige E-Fußballer des Clubs, Elias Nerlich, mit seinem realen Kreisliga-Projekt Delay Sports für einen Fan-Auflauf auf einem Stadtteil-Sportplatz gesorgt. Auch er hat mehr Internet-Follower als die Bundesliga-Clubs von Hertha und Union und schafft es, seine Anhängerschaft mit der Mischung aus World Wide Web und Amateur-Folklore zu begeistern.

Bei El-Jindaoui, der im Sommer vom Berliner AK kam und seine Prominenz regelmäßigen Youtube- und Instagram-Storys über sein privates Familienglück verdankt, profitiert die Hertha. Das reale Trikot des virtuellen Heroen verkauft sich bestens. «Ich freue mich auf alle, die noch in der Zukunft kommen werden, es ist nicht das letzte Spiel gewesen», sagte er. Profi-Trainer Schwarz schaut bestimmt einmal vorbei, auch ohne Online-Einladung.

Von Arne Richter, dpa
Folge uns

Von