Ciro Immobile ist das Lieblings-Opfer. Und Lorenzo Insigne hat seinen Spaß.
Mit großem Eifer versteckt sich der 1,63 Meter große Angreifer im EM-Quartier der italienischen Nationalelf in Florenz hinter allen möglichen Ecken und Möbelstücken, um dann den Ex-Dortmunder Immobile zu erschrecken und sich laut lachend über die Reaktion zu freuen. «Irgendwann bekomme ich einen Schlaganfall», sagte Immobile zu den Neckereien seines Kumpels lachend. «Das ist absurd, er ist so klein, er kann sich überall verstecken», ergänzte er grinsend. Die beiden Offensivspieler aus Neapel und langjährigen Freunde sind bei den Azzurri neben dem Platz für die gute Laune verantwortlich – und auf dem Platz für die Tore.
«Uns fehlen noch drei Siege»
Auf den 30 Jahre alten Flügelspieler Insigne und den ein Jahr älteren Mittelstürmer Immobile wird es auch im EM-Viertelfinale gegen Belgien am Freitag (21.00 Uhr) in München ankommen. «Uns fehlen noch drei Siege, um unser großes Ziel zu erreichen», sagte Immobile. «Jeder von uns spürt die Verantwortung.» Die Liebe und Unterstützung der Fans in der Heimat sei dabei eher Ansporn als Druck: «Wir wollen den Menschen nach schwierigen Monaten in der Pandemie das Lächeln zurückgeben.»
Vor allem bei den drei Siegen in der Gruppenphase mit 7:0 Toren sorgte der italienische Angriff für Spaß – und beeindruckte die Fußball-Welt. Zwei Tore und eine Vorlage stehen bislang in Immobiles Turnierbilanz, einmal traf Insigne. «Ich würde meine Tore sofort gegen den Pokal eintauschen», sagte Immobile. Trotz eines schwächeren Spiels im EM-Achtelfinale gegen Österreich sind beide feste Größen im Team von Roberto Mancini – und nach turbulenten Jahren angekommen.
Bei Lazio zurück zu alter Stärke
Immobile musste erst 2014 vom FC Turin zu Borussia Dortmund wechseln und dort krachend scheitern, um dann nach mehreren Leihen zu Lazio Rom zu finden. Dort trifft er inzwischen verlässlich und sicherte sich 2020 mit 36 Toren sogar den Goldenen Schuh als bester Torschütze Europas. «Ich verdanke es meiner Mama, die mich mit diesem Sinn für Tore ausgestattet hat», sagte Immobile über seine Torquote. Im Nationalteam hat er nach schwierigen Jahren nun endlich seine Rolle gefunden: «Ich spüre wie nie zuvor das Vertrauen von allen, dem Trainer und der Mannschaft», sagte der 31-Jährige. «Ich fühle mich wichtig, ich fühle mich wertgeschätzt, dann gibst du alles.»
Mit Insigne klappt das Zusammenspiel im Angriff reibungslos, auch wenn beide nur eine einzige Saison gemeinsam auf dem Platz standen. Fast zehn Jahre ist es her, dass die damals ausgeliehenen Insigne und Immobile sowie Marco Verratti, der Mittelfeld-Chef der Italiener bei dieser EM, gemeinsam mit Pescara Calcio den Aufstieg in die Serie A feierten. «Wenn wir jetzt schauen, wo wir vor zehn Jahren waren, hätten wir niemals gedacht, dass wir uns irgendwann gemeinsam als Protagonisten im Nationalteam wiederfinden würden», sagte Verratti.
In Freundschaft verbunden
Auch wenn sich die Wege von Insigne und Immobile danach trennten, verbindet die beiden Profis aus dem ärmeren Süden Italiens eine tiefe Freundschaft. «Ciro und ich sind mehr als Freunde. Wir sind zusammen groß geworden, unsere Familien fahren gemeinsam in den Urlaub», sagte Insigne, der sich nach der Rückkehr aus Pescara bei seinem Heimatclub SSC Neapel durchsetzte und dort nun Kapitän ist. «Marco und Ciro sind für mich zwei große Freunde auf dem Platz und vor allem daneben.»
Schon bei der WM 2014 war das Trio dabei, es folgten wechselhafte Jahre mit teils nur geringen Einsatzzeiten im Nationalteam. Unter Mancini sind sie nun wichtige Stammspieler im neuen offensiveren 4-3-3. «Er lässt ein System spielen, das besser zu mir und zu uns allen und unseren Qualitäten passt», sagte Insigne. «Das tut uns allen gut, so können wir unsere Qualitäten am besten einbringen.»
Mancinis Taktik, die Offensiv-Qualitäten von Immobile und Insigne und der viel gelobte Teamgeist – das alles soll Italien helfen, den Weltranglisten-Ersten Belgien zu stürzen. Dass der Zusammenhalt die Mannschaft durch das Turnier tragen könnte, ist auch ein Verdienst des Duos Insigne und Immobile. Meist ist es Insigne, der nach Siegen den WM-Hit 1990 «Un’estate italiana» von Gianna Nannini anstimmt. «Ich bin einer, der gerne Spaß macht, ich habe immer Musik an», sagte Insigne über die Szene, als er nach dem Achtelfinal-Einzug mit einem Ghettoblaster unter dem Arm vor dem Teamhotel den Chor anführte.