Ein Sieg gegen Ungarn ist Pflicht: Die deutschen Spieler zeigen sich beim Abschlusstraining gut gelaunt. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Federico Gambarini/dpa)

Die Debatte um die von der UEFA nicht genehmigte Regenbogen-Beleuchtung des Münchner Stadions hat die sportliche Dimension des letzten deutschen EM-Gruppenspiels fast überlagert.

Auch Joachim Löw musste sich noch am Vorabend des Duells gegen Ungarn zu der Causa äußern. Der Fokus ist aber nun wieder klar ausgerichtet. Gegen die Magyaren soll der Fußball-Nationalmannschaft heute (21.00 Uhr/ZDF und Magenta TV) der letzte Schritt Richtung Achtelfinale gelingen, auch wenn Thomas Müller ausfallen sollte.

DIE AUSGANGSLAGE: Manuel Neuer und seine Kollegen haben es selbst in der Hand. Schon mit einem Unentschieden ist das Achtelfinal-Ticket gebucht. Mit einem Sieg ist auch noch Platz eins möglich, wenn Frankreich nicht gegen Portugal gewinnt. Bei derzeit drei Punkten und einer positiven Tordifferenz (+1) hängt ohnehin einiges vom Ausgang des Parallelspiels zwischen Weltmeister Frankreich (4 Punkte/+1) und Europameister Portugal (3/+1) ab.

Nur ein Fall darf für Joachim Löw nicht eintreten. Verliert die DFB-Elf gegen Ungarn und holt Portugal mindestens einen Punkt ist die EM für Deutschland vorbei und die Ära Löw auf unrühmliche Weise beendet. «Ich habe ein deutlich positiveres Gefühl, als es 2018 der Fall war», zog Mats Hummels einen Vergleich zum WM-Debakel vor drei Jahren, als nach der Vorrunde Schluss war.

DAS PERSONAL: Für Thomas Müller reicht es ziemlich sicher nicht für die Startelf. Am Spieltag soll noch einmal das rechte Knie des Bayern-Profis einem Belastungstest unterzogen werden, um zu prüfen, ob ein Einsatz überhaupt möglich ist. «Wir warten bis zum Mittwochnachmittag. Es gibt verschiedene Gedankenspiele und Möglichkeiten in der Personalwahl», sagte der Bundestrainer.

Als Ersatzmann stünde Leon Goretzka für seinen ersten Startelfeinsatz bei der EM bereit. Mats Hummels (Reizung der Patellasehne) und Ilkay Gündogan (Wade) sind hingegen wieder fit. Weitere Änderungen muss Löw also nicht vornehmen. Kapitän Neuer bestreitet gegen Ungarn sein 103. Länderspiel und zieht damit in der DFB-Rangliste mit Kaiser Franz Beckenbauer gleich.

DER GEGNER: Die Ungarn können ziemlich unbequem sein. «Wir wissen, dass sie ein ganz gefährlicher Gegner sind. Vielleicht ist es besser für uns, dass wir jetzt auf sie treffen, wo wir sie schon zweimal gesehen haben», warnte Hummels. Gegen Frankreich holten die Magyaren einen Punkt, der würde ihnen in München aber nicht zum Weiterkommen reichen. Gleich vier Bundesliga-Profis stehen im Aufgebot: Roland Sallai vom SC Freiburg, Adam Szalai von Mainz 05 und die Leipziger Peter Gulasci und Willi Orban.

DIE HISTORIE: Ungarn. Dieser Gegner löst bei deutschen Fans immer noch besondere Gefühle aus. Dabei gab es seit 67 Jahren gegen die Magyaren kein Pflichtspiel mehr. Das letzte Duell von bislang nur drei Partien unter Turnierbedingungen wird immer in den Geschichtsbüchern stehen – als «Wunder von Bern». Am 4. Juli 1954 gelang Deutschland als großem Außenseiter durch die Tore von Max Morlock und zweimal Helmut Rahn der erste WM-Triumph.

Mit insgesamt 34 Partien liegt Ungarn in der Rangliste der häufigsten DFB-Gegner auf Platz sieben. Joachim Löw hat gegen Ungarn als Bundestrainer beide Spiele gewonnen. Vor der WM 2010 gab es ein 3:0, vor der EM 2016 ein 2:0. Die letzte Niederlage gab es vor der EM 2004. Lothar Matthäus führte die Ungarn als Trainer zu einem 2:0.

DIE PERSPEKTIVE: Angesichts der guten Ausgangslage kann der Blick schon über das Ungarn-Spiel hinausgehen. Mit dem Achtelfinale beginnt für die Nationalmannschaft die Europareise, den Münchner Heimvorteil gäbe es nur noch einmal im Viertelfinale am 2. Juli bei einer von zwei möglichen Konstellationen als Gruppendritter. In der ersten K.o.-Runde ginge es als Gruppensieger in Bukarest am kommenden Montag gegen die Schweiz oder die Ukraine. Als Gruppenzweiter wäre am kommenden Dienstag England in London der Gegner. Als einer der vier besten Gruppendritten müsste man sich am Sonntag entweder in Sevilla mit Belgien oder in Budapest mit den Niederlanden messen.

DER REGENBOGEN: Manuel Neuer wird wie in den ersten beiden Spielen wieder seine Regenbogen-Kapitänsbinde tragen. Das wurde von der UEFA erlaubt. Eine Absage gab es hingegen für den Antrag der Stadt München, die Arena in der Farbkombination als Zeichen für Vielfalt und Akzeptanz diverser sexueller Orientierungen zu illuminieren. Löw bedauerte diese Entscheidung, machte aber deutlich, dass über die Gesten hinaus wichtiger sei, dass die «Werte auch gelebt werden».

Die bayerischen Politiker wollten die Aktion auch als klare Kritik an den homophoben Gesetzesentscheidungen der ungarischen Regierung von Viktor Orban initiieren. Die Ablehnung der UEFA stieß auf breite Kritik aus vielen Gesellschaftskreisen. Viele Städte von Berlin bis Köln werden nun ihre Stadien mit den Regenbogenfarben beleuchten.

Von Arne Richter, Jens Mende und Klaus Bergmann, dpa
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