Die walisischen Fans dürfen nicht in die Niederlande reisen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Riccardo Antimiani/Pool EPA/dpa)

Jetzt bekommen die EM-Reiseplaner richtig Stress. «So ein Turnier sieht aus wie eine gute Idee, aber logistisch ist es ein absoluter Alptraum – mit Covid noch dazu», sagt der walisische Nationaltrainer Robert Page.

Erst Aserbaidschan, dann Italien, nun müssen die Waliser in die Niederlande nach Amsterdam. Am Samstag treffen sie dort auf Dänemark. Was für eine Vorstellung! Begeisterte Waliser, die nicht selten bei Turnieren, wenn sie es mal dorthin schaffen, auch die Herzen der neutralen Fans erobern. Dazu die Dänen, die nach dem tragischen Zusammenbruch von Christian Eriksen im ersten Spiel erst recht riesige Sympathien genießen. Ein Fan-Fest der Superlative in rot. Gesänge, Emotionen, Gänsehaut. Zumindest in der Theorie.

Die Realität in Corona-Zeiten kann aber ein bisschen anders aussehen. Die Waliser müssen in Amsterdam erneut auf die Unterstützung ihrer «Red Wall» verzichten. Wales steht nicht auf der Liste der sicheren Länder, aus denen Menschen in die Niederlande einreisen dürfen. «Wir haben die Anweisung der Polizei in Amsterdam bekommen, dass sie keine walisischen Fans ins Land lassen werden», sagte die walisische Gesundheitsministerin Eluned Morgan.

Dänen sollen zu Hause bleiben

Die Regierungsverantwortlichen in Dänemark haben unterdessen die Fans ihrer Mannschaft aufgefordert, das Spiel zu Hause vor dem Fernseher zu verfolgen. Selbst wenn es nach dänischen Angaben möglich ist, der Quarantäne zu entgehen, wenn Fans innerhalb von zwölf Stunden ein- und wieder ausreisen.

Ein Spiel und ein Beispiel für die Probleme, die sich nun in der K.o.-Runde des ersten paneuropäischen Kontinentalturniers erst recht ergeben. Für die Teams, für die Fans. «Von nicht notwendigen, touristischen Reisen nach», heißt es zum Beispiel fast immer auf den Seiten des deutschen Auswärtigen Amtes einleitend mit Blick auf die EM-Gastgeberländer. Es wird meist gewarnt, in einem Fall sogar abgeraten.

Und die EM dauert ja noch ein paar Tage. Wie sich die Situation vor allem im Halbinal- und Endspielort London entwickelt, wo die Zuschauerzahl für die letzten drei Partien der EM bemerkenswerterweise von 40 000 auf 60 000 sogar noch mal erhöht wurde – die (Reise)Planer müssten Hellseher sein.

Gefahr in Großbritannien

Experten legen sich aber schon fest. «Wer nach Großbritannien fährt, läuft Gefahr, sich mit der Delta-Variante zu infizieren. Wir können davon ausgehen, dass 95 Prozent aller Covid-Erkrankungen in Großbritannien auf die Delta-Variante zurückgehen», sagte der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Sogar für Geimpfte hält er eine Reise nach London in der aktuellen Lage «für verantwortungslos».

«Die Delta-Variante ist einfach zu gefährlich. Das ist eine Gefährdung der Bürger Englands und der Bürger Europas. Man müsste die Spiele in ein anderes europäisches Land verschieben», sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der Mediengruppe RTL/ntv. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte bereits, dass München als Alternativ-Standort zur Verfügung stehen würde.

Die Planungen in London gehen in eine andere Richtung. Einem Bericht der Zeitung «The Times» vom Mittwoch zufolge stehen die britische Regierung und die UEFA kurz vor einer Einigung, die erheblich gelockerte Corona-Auflagen für bis zu 2000 ausländische Fans für das Finale verspricht. Demnach sollen aus den Ländern der beiden Endspiel-Teilnehmer jeweils 1000 Zuschauer ohne Quarantäne einreisen dürfen – wenn auch negativ getestet in einer Corona-Blase mit Charterflügen, Direkttransfers zum Stadion und schneller Abreise. Das klingt ein wenig nach VIP-Gefühl.

Die walisischen Fans jedenfalls fühlen sich nach Angaben eines Sprechers schon als Bürger zweiter Klasse. Die UEFA hätte sich die Orte anschauen und sicherstellen sollen, dass die gleichen Wettbewerbsbedingungen herrschen würden, wurde Vince Alm bei der BBC zitiert. Auch Vizeweltmeister Kroatien machte schon klar, dass die Bedingungen für ihn nicht die besten sind. «Wir reisen alle drei Tage, das sind keine guten Bedingungen», sagte Trainer Zlatko Dalic, dessen Team das Basislager in der Heimat hat. «Die Bedingungen sollten für alle dieselben sein. Es sind nicht dieselben für alle.»

Kein klassisches EM-Flair

Den EM-Standorten fehlen mitunter die ausländischen Fans, weil sie es auch sind, die das besondere Flair eines Großturniers verbreiten. Selbst wenn es in manchen Spielorten immer nur ein kurzes emotional-internationales Aufflackern ist. Den Mannschaften fehlt in ohnehin nur teilbesetzten Stadien womöglich die Unterstützung aus der Heimat. Der Gang in die Fan-Kurve, mögen es noch so wenige sein, die ihre Idole im besten Fall feiern – Rituale einer gesunden Fußball-Idylle.

«Ich weiß, dass wir nicht die gleiche Unterstützung haben werden wie hier in Rom, wo sie fantastisch war», sagt Italiens Giacomo Raspadori. «Die Stimmung hier hat bei uns für Gänsehaut gesorgt.» Hier heißt in Italien, in Rom. Im Land der Tifosi.

Die Italiener müssen nun schon nach London – und fast komplett ohne ihre Fans auskommen. Für die Partie im Wembley-Stadion am Samstag können nach Angaben des italienischen Verbands nur Fans Tickets kaufen, die ihren Wohnsitz auch in Großbritannien haben.

Ansonsten gilt: Quarantäne-Pflicht. Und so wird auch bei Gegner Österreich die Vorfreude auf ein für die Nation historisches Spiel getrübt. «Es ist natürlich ewig schade, wenn bei unserem ersten EM-Achtelfinale überhaupt niemand aus Österreich dabei sein kann», sagte Verbands-Sportdirektor Peter Schöttel.

Von Jens Marx, Miriam Schmidt, Thomas Eßer, Steffen Trumpf und Christian Kunz, dpa
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