Der Vorstandsvorsitzende des Fußball-Bundesligisten FC Bayern München: Oliver Kahn. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Angelika Warmuth/dpa)

Bei sanfter Piano-Musik saß Oliver Kahn mit Hassan al-Thawadi in der Lobby des monströsen Hotelpalasts in Lusail wenige Kilometer vom goldenen Endspiel-Stadion entfernt. Nur die cremefarbenen Vorhänge verhinderten den Blick hinaus auf den Persischen Golf.

Bayern Münchens Vorstandschef und Katars WM-Chef hatten am Rande des Treffens der Vereinigung der europäischen Topclubs (ECA) offenbar viel zu bereden. Die Nachfolge von Oliver Bierhoff beim Deutschen Fußball-Bund oder von Donata Hopfen bei der Deutschen Fußball Liga dürfte im Gespräch von Kahn mit al-Thawadi aber kaum von Belang gewesen sein.

Ungewohnte Bayern-Ruhe zu Katar, DFB und DFL

In der Adventskrise verwundert die Bayern-Stille zu den brennenden Themen. Feuerstellen im deutschen Fußball hatte der Branchenführer in vergleichbaren Fällen als Erster und natürlich auch im eigenen Interesse austreten wollen. Die Kommunikation nach dem WM-Debakel in Katar und den Führungswechsel an der Spitze der Deutschen Fußball Liga überließ man nun ungewohnt bereitwillig Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der vor lauter Ämterfülle bei DFL und DFB gleich mehrere Termine in das gleiche Hotel vor den Toren Frankfurts verlagerte.

Bei seiner Pressekonferenz kam er auch nicht ohne Spitzen gegen den ewig übermächtigen Rivalen aus München aus. «Die einfachste Situation, sich einzubringen, speziell bei der DFL, ist die, für ein Amt zu kandidieren. Das hilft. Die einfachste, direkte, unkomplizierteste Lösung wäre, wenn der Oliver Kahn für das Präsidium kandidiert. Da würde ich mich persönlich sehr drüber freuen», sagte Watzke.

Bei seinem Treffen mit al-Thawadi schwirrten Kahns Gedanken eher nicht um die freundlich verpackte Dortmunder Aufforderung zu mehr Liga-Engagement. Die Bayern haben mit dem umstrittenen Katar-Sponsoring ihr eigenes Thema am Golf. Eine knappe und etwas schnippische Replik an Watzke kam via «Bild»-Zeitung: «Ich habe mit Aki Watzke einen sehr guten Draht, wir tauschen uns zu allen wichtigen Themen aus. Natürlich wird der FC Bayern in dieser nicht einfachen Phase Verantwortung für den deutschen Fußball übernehmen. Um nichts anderes darf es jetzt gehen», versprach Kahn. Und übrigens: «In welcher Form wir das machen und wie das am Ende ausschaut, sollte man aber schon dem FC Bayern überlassen.»

Ehrenspielführer Lahm bietet seine Hilfe an

Die Neustrukturierung der DFL-Führung nach dem Rückzug von Donata Hopfen ist ein wichtiges Thema, aber auch keines, das die Fußball-Fans so sehr umtreibt wie das Scheitern der Nationalmannschaft in Katar. Doch auch dazu herrscht bislang moderates Schweigen der operativen Bayern-Spitze um Kahn. Die Altvorderen wie Ehrenpräsident Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, ein Freund von Bundestrainer Hansi Flick, halten sich auch zurück. In die Nachfolge-Diskussion um Bierhoff wurde stattdessen in BVB-Berater Matthias Sammer ein Dortmunder Name früh platziert.

Das war zu Beginn des Jahrtausends ganz anders. Auch da lag Fußball-Deutschland nach einer desaströsen EM 2000 am Boden und Rummenigge wurde zum Kopf einer sogenannten Task Force Nationalmannschaft, mit der die Bundesliga-Clubs den Krisen-DFB beim Neuaufbau organisatorisch begleiten wollten. Jetzt erinnert man sich an dieses Instrument, auch wenn eine klare Forderung nach Strukturhilfe, zum Beispiel für die Job-Definition eines Nachfolgers von DFB-Direktor Bierhoff, noch nicht hörbar ist. Angebote gibt es auch von einem prominenten Ex-Bayern.

Ehrenspielführer Philipp Lahm hat seine Hilfe angeboten – wenn auch erstmal nur auf Nachfrage. «Meine Hauptaufgabe ist Turnierdirektor zu sein. Dass ich durch mein Leben Expertise in Sachen Fußball habe, ist klar und ich bin beim DFB. Deswegen stelle ich auch gerne meine Expertise in Sachen Fußball zur Verfügung», sagte der Cheforganisator der Heim-EM 2024 bei einem Medientermin in Leipzig auf die Frage, ob er an einer Art «Think Tank» zur Neuorganisation rund um die Nationalmannschaft mitwirken würde.

Watzke: «Neuendorf wird sich sicherlich stellen»

Am Donnerstag hatte DFL-Aufsichtsratschef und DFB-Vizepräsident Watzke angedeutet, dass es zu einer Art Neuauflage der Task Force kommen könnte, sofern der DFB dies wünsche. «Wenn der DFB irgendwann das Gefühl hat, wir müssen ein paar erfahrene Leute um Rat fragen und das aus sich heraus institutionalisieren möchte, ist das sicherlich ein Denkmodell, aber das muss Bernd Neuendorf mit seinen Leuten entscheiden», sagte Watzke.

Einen Vorstoß der Profivereine werde es dazu nicht geben. «Dass wir als DFL da selbst etwas gründen und dann quasi die Besserwisser spielen, ohne dass der DFB uns darum gebeten hätte, das schließe ich aus», betonte der Fußball-Multifunktionär.

Watzke rechnet damit, dass sich DFB-Präsident Neuendorf noch vor Weihnachten öffentlich zu den Entwicklungen nach dem frühen WM-Aus in Katar, der Trennung von Bierhoff und der Fortsetzung der Arbeit von Bundestrainer Flick äußern wird. «Bernd Neuendorf wird sich sicherlich stellen», sagte Watzke. Dem Vernehmen nach ist ein Termin in der kommenden Woche in Planung.

Zuletzt hatte Neuendorf kurz vor dem Abflug aus Katar am Freitag vergangener Woche ein Statement abgegeben. Die weiteren Personalentscheidungen wurden per Pressemitteilung kommuniziert. «Ich hätte es genauso gemacht. In den ersten zwei, drei Tagen der Enttäuschung kannst du mit jedem Satz, den du sagst, viel mehr zerstören, als du jemals aufbauen kannst», meinte Watzke.

Arne Richter und Jan Mies, dpa
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