Joshua Kimmich kämpfte mit den Tränen. Eine schwarze Plastiktüte mit seinen Schuhen darin baumelte in seiner Hand hin und her. Keinem anderen Spieler waren Schmerz und Betroffenheit über den WM-K.o. der Fußball-Nationalmannschaft so sehr anzumerken wie dem Bayern-Profi.
Der Anführer der Generation 1995/96, die vor gut fünf Jahren mit dem Sieg beim Confederations Cup für den letzten Turnier-Glücksmoment der Nationalmannschaft gesorgt hatte, sah sich in der Verantwortung.
«Wir fahren wieder nach Hause. Dementsprechend habe ich ein bisschen Angst davor, echt in ein Loch zu fallen», sagte der 27-Jährige nach dem 4:2 gegen Costa Rica am frühen Freitagmorgen Ortszeit in der Interviewzone des Al-Bait Stadions in Al-Chaur. «Für mich ist es echt, würde ich sagen, der schwierigste Tag meiner Karriere», fügte Kimmich an. Trotz des Sieges schied die Nationalmannschaft als Dritter der Gruppe hinter Japan und Spanien aus.
Kimmich fürchtet Makel an seiner Laufbahn
Ein Ende seiner DFB-Karriere schloss Kimmich nach dem bitteren dritten Turnier-Aus nacheinander aus. «Nein», lautete die kurze Antwort auf die Frage nach einem möglichen Rücktritt. Ein Makel bleibt nun aber an seiner Laufbahn haften, befürchtet Kimmich. «Das ist schon für mich persönlich nicht so einfach zu verkraften. Weil ich persönlich mit dem Misserfolg in Verbindung gebracht werde», sagte er.
2016 war Kimmich beim EM-Halbfinal-Aus in Frankreich noch Turnier-Azubi. Es folgten nach dem verheißungsvollen Confed Cup mit einer Nachwuchself 2017 der erste Gruppen-K.o. bei einer WM in Russland 2018, das EM-Aus im Achtelfinale 2021 und nun schon wieder ein massiver sportliche Tiefschlag für den ehrgeizigen Profi.
«Ich bin 2016 dazugekommen, davor war Deutschland immer im Halbfinale. Dann kommt man dazu und scheidet zweimal in der Vorrunde aus, im letzten Jahr im Achtelfinale. Das ist nichts, wofür man stehen möchte», sagte Kimmich.
«Wunde wieder aufgekratzt»
Konkrete Defizite machte er offensiv wie defensiv aus – und sprach sie schonungslos an. «Wenn ich sehe, was wir heute an Torchancen liegen lassen, dann ist das nicht nur Pech, sondern auch sehr viel Unvermögen. Dazu bekommen wir sehr einfache Gegentore, ein Gegner muss nicht sehr viel investieren», sagte der zentrale Mittelfeldspieler, der gegen Costa Rica erstmals unter Flick zumindest in der ersten Spielhälfte auf der rechten Außenbahn aushelfen musste.
Nach dem WM-Aus sei durch das erneute Scheitern «die Wunde wieder aufgekratzt» worden. Die WM werde er nun aus München als Fernsehzuschauer nicht weiter verfolgen. «Man denkt, man könnte auch da spielen», berichtete er vom Schmerz, im TV WM-Fußball zu schauen. Bestenfalls Frankreich-Spiele werde er gucken, um den Bayern-Kollegen in der Équipe tricolore die Daumen zu drücken.