Kölner Last-Minute-Wahnsinn mischt Abstiegskampf-Karten neu
Im Tabellenkeller bleibt es bis zum Saisonende spannend - vor allem dank der Kölner Stehaufmännchen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Federico Gambarini/dpa)

Als keiner mehr an die Kölner zu glauben schien, nahm der packende Abstiegskampf doch noch eine irre Wendung. «Der Fußball-Gott hat noch einen Strohhalm für uns gehabt. Und an den haben wir uns ganz fest geklammert», sagte FC-Abwehrspieler Dominique Heintz nach dem kaum noch für möglich gehaltenen 3:2 gegen Union Berlin.

Der Last-Minute-Wahnsinn des 1. FC Köln hat die Karten im Kampf um den Klassenverbleib noch einmal kräftig durchgemischt. Rettung, Relegation, Abstieg – im Tabellenkeller ist vor dem Bundesliga-Saisonfinale am kommenden Samstag für reichlich Spannung gesorgt.

Nach dem Siegtor durch das 19 Jahre alte Eigengewächs Damion Downs in der dritten Minute der Nachspielzeit sei er «froh, dass das Dach noch drauf ist», sagte Kölns Trainer Timo Schultz: «Es war so laut, dass es fast hätte abheben können.» Die Ekstase im Kölner Stadion war verständlich, denn bei einem Unentschieden wäre der FC sicher abgestiegen. So bleibt vielleicht sogar etwas mehr als ein Fünkchen Hoffnung. «Das kann einer der kuriosesten Klassenerhalte werden, die es seit langer Zeit gegeben hat», sagte Schultz.

«Eigentlich waren wir weg, tot»

Nach 18 Minuten hatte Köln 0:2 zurückgelegen, bis zur 87. Minute stand es 1:2. «Eigentlich waren wir weg, tot», sagte Heintz: «Beim 3:2 hatte ich Gänsehaut und Tränen in den Augen. Auf einmal lebst du wieder, nach so einem verrückten Spiel.» Der FC kann sich nun noch auf den Relegationsrang 16 retten, wenn er sein letztes Saisonspiel beim 1. FC Heidenheim gewinnt und dabei die derzeit um drei Treffer schlechtere Tordifferenz gegenüber Union aufholt. Gleichzeitig muss Berlin zu Hause gegen den SC Freiburg verlieren.

Die Situation sei nun «etwas unbequemer, etwas schwieriger», gab Unions Interimstrainer Marco Grote zu. Er war bemüht, das angeknackste Selbstvertrauen seiner Spieler aufzubauen: «Wir haben nach wie vor die Zuversicht, den Glauben und die Überzeugung und auch das Vertrauen in diese Mannschaft.» Für Kapitän Christopher Trimmel wird das Saisonfinale auch zum Charaktertest beim Champions-League-Starter dieser Saison. «Wenn es Spieler gibt, die nicht daran glauben, dann brauchen sie nicht mehr zu kommen», sagte der 37-Jährige: «Aber ich glaube, dass da keiner dabei sein wird.»

«Legende» Henriksen und Mainz vor Rettung

An Glauben mangelt es den Mainzern ganz sicher nicht. Trainer Bo Henriksen hat seit seiner Ankunft im Februar alle im Club mit seinem Optimismus, seiner positiven Art und Leidenschaft angesteckt. «Der Typ ist eine Legende. Er kommt rein, er lacht, er schreit, er tanzt vor den Spielen – es ist unglaublich», sagte Mittelfeldspieler Nadiem Amiri über den Dänen: «In so einer Situation brauchst du einfach diese Energie.»

Auch beim 3:0 über Champions-League-Finalist Borussia Dortmund strotzten die Rheinhessen nur so vor Selbstvertrauen, der Relegationsrang 16 ist ihnen bereits sicher. Aufgrund der im Vergleich zu Union deutlich besseren Tordifferenz reicht Mainz zum Abschluss beim VfL Wolfsburg sehr wahrscheinlich ein Unentschieden zum sicheren Klassenverbleib. «Auf einen Punkt kann man nie spielen. Es darf nicht passieren, dass wir denken, wir haben etwas Großes geschafft», mahnte Sportdirektor Martin Schmidt und forderte: «Wir müssen weiter jagen. Wir müssen Jäger bleiben.»

Terzic sieht keine Wettbewerbsverzerrung

Der Tabellen-14. VfL Bochum muss nach dem 0:5 gegen Bayer Leverkusen weiter zittern. Der Club, der einst mit dem Prädikat «unabsteigbar» versehen war, tritt am kommenden Samstag bei Werder Bremen an. Ein Punkt reicht, um sicher in der Liga zu bleiben.

Bochum wäre schon am Samstag gerettet gewesen, hätte Mainz gegen Dortmund verloren. Doch der BVB trat mit einer B-Elf an und wurde in der ersten Halbzeit düpiert. Sorgt der volle Fokus des BVB auf das Champions-League-Finale am 1. Juni gegen Real Madrid für Wettbewerbsverzerrung im Bundesliga-Abstiegskampf? «Ich kann verstehen, dass jemand enttäuscht ist», sagte Dortmunds Trainer Edin Terzic: «Wir sind aber nicht verantwortlich für die Situation, in denen sich die Vereine befinden.» Niemand aus Köln, Berlin oder Bochum könne «so sauer sein wie ich und wir auf die Mannschaft», erklärte Terzic.

Von Jörg Soldwisch, Holger Schmidt und Patrick Reichardt, dpa
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