Hat noch Trainingsrückstand: Wolfsburgs Max Kruse. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Swen Pförtner/dpa)

Der eine sagt: «Meine Mannschaften waren immer fit. Ohne das kann man nicht erfolgreich sein.» Der andere sagt: «Es gibt Spieler, die den Fokus die ganze Woche auf das Training legen müssen, um am Wochenende performen zu können. Zu denen gehöre ich einfach nicht.»

Wer diese Aussagen von Niko Kovac und Max Kruse nebeneinander legt, braucht sich nicht darüber zu wundern, dass rund um den VfL Wolfsburg in diesem Sommer viele gefragt haben: Der neue Trainer und sein eigenwilliger Star – kann das jemals gut gehen? Die vorläufige Antwort darauf ist ein deutliches «Ja» mit einem kleinen «Aber». Denn ausgerechnet am ersten Bundesliga-Spieltag gegen seinen Ex-Club Werder Bremen (Samstag, 15.30 Uhr/Sky) wird Kruse zunächst nur auf der Bank sitzen. «Max hatte erst eine Wadenverletzung und war dann krank. Er hat sicherlich noch etwas Nachholbedarf. Von daher wird das kein Start von Beginn», bestätigte Kovac.

Große Konkurrenz im Kader der Wolfsburger

Ansonsten gibt es in Wolfsburg eine stattliche Liste von mindestens zehn Spielern, die einen viel zu großen Kader nach Kovac‘ Arbeitsbeginn im Juni bereits verlassen haben oder noch verlassen sollen. Kruse aber steht nicht darauf.

Schon früh trafen sich der Trainer und seine Nummer 9 nach einem Bericht der «Wolfsburger Allgemeinen Zeitung» außerhalb des Clubgeländes zu einem Austausch. «Max ist ein toller Junge, ich habe nur Positives zu berichten», sagte Kovac dann später während des Trainingslagers im Tirol. Er sei ein Spieler, der «trotz seiner 34 Jahre pro Saison immer 15 Tore schießen und noch mal fünf bis zehn auflegen kann. Immer! Die Qualität hat er, die haben nicht viele in der Bundesliga. Wenn er fit ist und körperlich alles herausholen kann, hat er Fähigkeiten wie ein Thomas Müller.»

Kruses eigentliche Herausforderung in Wolfsburg ist also nicht Kovac, sondern eine, die er aus Bremen so nicht kennt: Denn er hat beim VfL eine starke Konkurrenz – qualitativ wie quantitativ. Lukas Nmecha, Jonas Wind, Bartosz Bialek, Omar Marmoush, Luca Waldschmidt, Maximilian Philipp, Jakub Kaminski und Patrick Wimmer: Neben Kruse bieten sich noch mindestens acht weitere Profis für vier Plätze in der Offensive an. Fünf von ihnen sind A-Nationalspieler, sechs von ihnen mindestens zehn Jahre jünger als der frühere Werder-Kapitän.

Kruse «kann mit starken Trainerpersönlichkeiten»

Zum Vergleich: In Bremen und auch bei Union Berlin war Kruse lange Zeit ein sogenannter Unterschiedsspieler, dessen Verlust Werder 2019 nie ersetzen konnte und dessen Verpflichtung den 1. FC Union 2020 auf ein anderes sportliches Niveau hob. Selbst in Wolfsburg war er im Januar noch ein Schlüsseltransfer, der die Stimmung in der Kabine drehen und ein angeschlagenes Team vor dem Abstieg retten sollte.

Diese Situation hat sich verändert. Sein enger Vertrauter Florian Kohfeldt ist nicht mehr da. Und rein sportlich gesehen ist Kruse kein Heilsbringer mehr, sondern aktuell nur ein Herausforderer.

Weil es nach Recherchen der «Bild»-Zeitung eine Klausel in seinem Vertrag gab, die es Kruse wegen der überraschenden Trennung von Kohfeldt bis Ende Juni ermöglicht hätte, den VfL für wenig Geld zu verlassen, dachte sogar Werder im Sommer kurzzeitig über eine erneute Rückholaktion nach. «Natürlich wussten wir auch um diese Klausel, die Max hat», sagte der Leiter Profifußball und Scouting, Clemens Fritz. «Wir haben uns intern dazu ausgetauscht, das wurde durchdiskutiert» – und am Ende ohne konkrete Verhandlungen verworfen.

Von Sebastian Stiekel, dpa
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