Das Remis gegen den FC Augsburg dürfte Münchens Thomas Müller die Vorfreude auf das Oktoberfest verhagelt haben. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tom Weller/dpa)

Julian Nagelsmann geht mit einem kräftigen Kater aufs Oktoberfest. Das Prosit mit seinen Stars würde sich der 35-Jährige am liebsten geschenkt.

«Grundsätzlich habe ich keine Lust», sagte der missmutige Münchner Trainer nach dem nächsten Liga-Frusterlebnis. Sinn mache der erste Bierzeltbesuch des FC Bayern seit 2019 nach dem 0:1 in Augsburg und vier Spielen ohne Sieg seiner Meinung nach nicht, sagte Nagelsmann zur Krisen-Wiesn des FC Bayern.

Zwölf Punkte aus sieben Spielen lautet die magere Auftakt-Ausbeute der Münchner, die zuletzt vor zwölf Jahren so schlecht starteten. Damals wurde Borussia Dortmund am Saisonende Meister. «Der Trend ist katastrophal, wenn man aus vier Spielen keines gewinnt», sagte Thomas Müller, er war «fassungslos und bedröppelt».

Rückendeckung von Kahn

Vorstandschef Oliver Kahn wies Spekulationen um Nagelsmann zurück. «Wir beschäftigen uns jetzt nicht mit irgendwelchen anderen Trainern. Wir sind von Julian total überzeugt», sagte der frühere Nationaltorwart beim Besuch auf dem Oktoberfest. Es sei für den FC Bayern wichtig, in der Länderspielpause zur Ruhe zu kommen, sagte Kahn. «Natürlich sind wir alle unzufrieden, übel gelaunt», räumte der 53-Jährige ein und kündigte eine intensive Analyse der sportlichen Situation an. «Wir müssen dem Ganzen auf den Grund gehen. Und gehen sie davon aus, dass sobald es wieder losgeht gegen Leverkusen, wir voll angreifen werden und auch voll angreifen müssen», sagte der Vorstandsvorsitzende.

Sein Club habe alles, was es für weitere Erfolge brauche. «Vielleicht hat sich bei dem ein oder anderen der Glaube eingenistet, man könnte die Bundesliga so nebenbei machen. Aber das ist nicht der Fall», sagte Kahn. Gemeinsam mit der Mannschaft wolle die Führung der Münchner nun schauen, «welche Stellhebel wir bewegen können, damit wir ganz schnell in der Bundesliga wieder in die Erfolgsspur kommen».

Gereizter Nagelsmann

Vier Liga-Spiele ohne Bayern-Sieg gab es zuletzt vor über 20 Jahren, Ottmar Hitzfeld hieß da der Münchner Trainer. Die Fassung, die Hitzfeld nach Enttäuschungen wahrte, fehlt Nagelsmann noch. Grimmig und im Telegrammstil kommentierte er im Presseraum der Augsburger Arena die erste Saison-Niederlage. Was der Trend bedeute? «Nichts Gutes». Was sich ändern müsse? «Vieles».

Gereizt reagierte er auf die Dauerdebatte um die nach dem Abgang von Weltfußballer Robert Lewandowski fehlende Nummer 9. «Ist doch wurscht, was ich antworte», sagte Nagelsmann. Es werde ihm ja eh schlecht ausgelegt. Lewandowski traf nach seiner persönlichen Nullnummer beim 0:2 zuletzt in der Champions League gegen die Bayern nun am Wochenende beim 3:0 von Barça gegen Elche doppelt.

Bei den Münchnern ist Zauber des bestaunten Saisonstarts mit rauschenden Siegen verflogen, der neue flexible Offensivstil um den aktuell glücklosen Superstar Sadio Mané scheint entschlüsselt. «Entschlüsselt weiß ich nicht, aber pariert schon einige Male», sagte der zerknirschte Sportvorstand Hasan Salihamidzic. «Jetzt gibt es keine Ausreden mehr, jetzt müssen Siege her.»

Bayern-Coach nimmt Profis in die Pflicht

Nagelsmann beklagte einen «Laissez-faire»-Auftritt seiner Profis, Salihamidzic nahm Trainer und Mannschaft in die Pflicht. «Wir alle sind jetzt gefragt, nicht nur Julian Nagelsmann», sagte der 45-Jährige. Vorstandschef Oliver Kahn haderte gestenreich auf der Tribüne, als sich die Münchner zu sehr auf ihre eigene Top-Qualitäten verließen und nicht den Kampf der giftigen, ekligen und grandios kämpfenden Augsburger annahmen.

«So wie wir heute gespielt haben, kann man in der Bundesliga nicht gewinnen», stellte Salihamidzic klar. Der Rekordmeister habe «brutale Probleme gegen Mannschaften, die körperlich gegen uns spielen, die uns sozusagen auf die Socken hauen». In der anstehenden Länderspielpause wolle er viel nachdenken, kündigte Nagelsmann an: «Über alles denke ich nach. Über mich. Über die Situation. Über alles.» Der mit einem Vertrag bis 2026 ausgestattete Trainer will demonstrieren, dass er der richtige Mann für den FC Bayern ist. In der Krise liegt für ihn die große Chance, Format zu beweisen.

Die Niederlage wird länger nachwirken in München. «Jetzt wird es erstmal eine ungemütliche Länderspielpause», sagte Nationalspieler Leon Goretzka. Danach kann es aber noch unruhiger werden: Bayer Leverkusen zu Hause, Borussia Dortmund auswärts und der SC Freiburg wieder zu Hause sind die nächsten Bundesliga-Aufgaben. «Wir müssen alle mit einer besseren Mentalität zurückkommen», sagte der als neuer Abwehrchef verpflichtete Matthijs de Ligt.

Der Niederländer ist noch nicht der große Anführer in der Abwehr, im Sturm steckt Mané nach bejubeltem Start in einer Tor-Krise. «Wir müssen das Zielwasser trinken und dann diszipliniert, fokussiert und gierig, Tore zu machen, in die Spiele gehen», forderte Salihamidzic.

Wiedersehen mit den Augsburgern im Pokal

Eine «Mittelstürmer-Manier», wie sie FCA-Manager Stefan Reuter dem in der Schlussphase mitangreifenden Torhüter Manuel Neuer bei dessen Kopfball bescheinigte, fehlt aktuell als Element im Münchner Spiel. Neuer scheiterte mit dem sehenswerten Kopfball am herausragenden Rafal Gikiewicz im gegnerischen Tor.

«Die Bayern sind nach wie vor Topfavorit auf den Meistertitel», betonte Reuter aber nach dem Sieg durch das Tor von U21-Europameister Mergim Berisha. Ein schnelles Wiedersehen gibt es auch: In einem Monat treffen Augsburg und Bayern im Pokal wieder aufeinander.

Von Christian Kunz und Klaus Bergmann, dpa
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