Russlands Artjom Dsjuba erzielt das Tor zum 1:2 per Elfmeter. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jonathan Nackstrand/Pool AFP/AP/dpa)

Nach dem unglaublichen Schlussakt einer emotionalen EM-Vorrunde war in Kopenhagen niemand mehr zu halten. Alle Ersatzspieler und Betreuer der Dänen liefen jubelnd auf das Spielfeld. Und die 25.000 Zuschauer im Parken Stadion sangen sich die Kehle aus dem Hals.

Nach zwei Niederlagen zum Auftakt und dem Drama um den zusammengebrochenen Spielmacher Christian Eriksen hat der Europameister von 1992 am letzten Vorrunden-Spieltag doch noch das Achtelfinale dieser Fußball-EM erreicht. Durch einen 4:1 (1:0)-Sieg gegen Russland verbesserte sich Dänemark in der Gruppe B noch vom vierten auf den zweiten Tabellenplatz.

«Fantastische Stimmung, fantastisches Spiel»

Die beiden Gegentore des zweiten Konkurrenten Finnland im Parallelspiel gegen Belgien (0:2) wurden dabei fast genauso gefeiert wie die eigenen vier Treffer durch Mikkel Damsgaard (38. Minute), Yussuf Poulsen (59.), Andreas Christensen (80.) und Joakim Maehle (82.). Alle Spieler und Trainer Kasper Hjulmand gingen nach dem Spiel auf eine minutenlange Ehrenrunde. «Party im Parken», titelte der dänische Rundfunk DR auf seiner Internetseite.

«Wir haben eine unglaubliche Unterstützung erfahren. Ich kann das kaum in Worte fassen», sagte Christensen sichtlich bewegt. Damsgaard fand es «absolut fantastisch zu hören, wie die Leute hier durchdrehen». Und Poulsen frohlockte: «Fantastische Stimmung, fantastisches Spiel. Als Fußballer, vor allem nicht aus Dänemark, passiert es einem nicht oft, solch einen Sieg in einem großen Turnier zu feiern.»

Der einzige Haken für die Dänen ist, dass sie auf genau diese leidenschaftliche Unterstützung ab sofort verzichten müssen. Denn für ihr K.o.-Runden-Spiel gegen Wales am Samstag (18.00 Uhr) ziehen sie jetzt nach Amsterdam um. Die schwache russische Mannschaft dagegen traf nur per Foulelfmeter von Artjom Dsjuba zum 1:2 (70.) und schied als Gruppenletzter völlig verdient aus.

Gänsehaut-Atmosphäre

Wie schon bei der bitteren 1:2-Niederlage gegen Belgien am vergangenen Donnerstag herrschte schon vor dem Anpfiff Gänsehaut-Atmosphäre im Parken Stadion der dänischen Hauptstadt. Die UEFA legte erneut ein meterlanges Trikot mit dem Namen und der Rückennummer 10 des dänischen Spielmachers Christian Eriksen, der im ersten EM-Spiel gegen Finnland einen Herzstillstand erlitten hatte, auf dem Rasen aus. Die Fans feierten die Geste mit frenetischem Applaus.

Eriksen hatte das Krankenhaus am vergangenen Freitag verlassen und die Mannschaft danach besucht. «Es fühlt sich so an, als würde das Turnier für uns jetzt erst richtig beginnen», sagte Hjulmand vor dem Spiel. Und Christensen betonte nach dem Abpfiff: «Wir tragen Christian stets in unseren Herzen. Wir denken an ihn, wir spielen für ihn.»

Offensives dänisches Spiel

Die Dänen rissen die Initiative sofort an sich und agierten mit hohem physischen Einsatz klar feldüberlegen. 73 Prozent Ballbesitz nach 20 Minuten belegten dies auch zahlenmäßig. Die erste Chance hatten aber die Russen. Alexander Golowin (18.) tankte sich in der Mitte durch, scheiterte mit seinem zu unpräzisen Flachschuss aber an Dänemarks Torwart Kasper Schmeichel.

Den Gastgebern fehlten im letzten Drittel zunächst die zündenden Ideen, um die gut organisierte russische Abwehr auszuhebeln. Mit lautstarken «Danmark, Danmark»-Rufen trieben die Zuschauer ihr Team aber unverdrossen nach vorne und durften dann jubeln. Damsgaard, der nach dem Eriksen-Drama für den 29-Jährigen in die Startformation gerutscht war, fasste sich aus mehr als 20 Metern ein Herz und düpierte Russlands Torwart Matwej Safonow.

Ein Blackout hilft Dänen

Ein Blackout von Roman Zobnin begünstigte nach dem Wechsel das zweite dänische Tor. Ein Rückpass des Mittelfeldspielers landete bei Poulsen, der den Ball nur noch ins leere Tor schieben musste. Wenig später brach erneut lautstarker Jubel auf den Tribünen aus, als die Nachricht von der vermeintlichen Führung Belgiens gegen Finnland kam. Doch der Treffer im Parallelspiel in St. Petersburg wurde wegen Abseits zurückgenommen.

Und es kam noch schlimmer: Nach einem Trikot-Zupfer von Jannik Vestergaard gab der französische Schiedsrichter Clément Turpin Elfmeter für die Russen, den Dsjuba sicher verwandelte. Die Dänen ließen sich von diesen Rückschlägen aber nicht aufhalten. Wie entfesselt spielte das Team jetzt auf und stellte durch Christensen den alten Abstand wieder her. Kurz zuvor hatten die Belgier regulär getroffen und damit die erhoffte Schützenhilfe geleistet. Der Rest war nur noch Jubel.

Von Sebastian Stiekel und Eric Dobias, dpa
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